Ich habe gekündigt.
Ich habe gekündigt, ohne einen Anschlussjob zu haben.
Ich habe meine Vollzeitstelle in Festanstellung gekündigt.
Und das, obwohl es aushaltbar war.
Es war nicht cool, es hat keinen Spaß gemacht, ich konnte meine Kompetenzen nicht einbringen. Es hat mich sogar etwas krank gemacht. Aber es war aushaltbar.
Ich habe meinen Sozialarbeiter*innen-Job gekündigt, der nach einer internen Stellenversetzung Mitte des Jahres sehr viel „Verwaltung“ war. Und nur noch ganz wenig Beratung, Coaching und kreative Ausgestaltung. Mein Körper zeigte mir schon nach wenigen Wochen, dass ich dort nicht glücklich werden würde. Ich schlief schlecht, meine Schuppenflechte tauchte an neuen Stellen auf und schließlich bekam ich Magenkrämpfe. Mein Körper ist viel schneller als mein Geist, der immer wieder brüllte: Sei dankbar, dass du einen Job hat! Er ist doch aushaltbar!
Warum das höchst feministisch war, zeige ich euch – und den lauten Stimmen in mir, die mich anschreien, was ich mir da erlaube?! – an fünf Punkten:
- Ich habe für mich selbst gesorgt. Das war mir wichtiger, als mich um andere zu sorgen. Andere, das sind hier: Kolleg*innen, Chef, die Firma.
- Ich habe nicht ausgehalten. Wenn ich an Eigenschaften denke, die Frauen zugeschrieben werden, dann fallen mir zuerst „umsorgen“ und „aushalten“ ein. So wie Frauen aushalten sollen, neben dem Job auch noch die Familie, die Pflege der Angehörigen, den Haushalt oder das Privatleben des Partners zu managen: „Kai, denkst du daran, dass deine Mutter nächste Woche Geburtstag hat?“ Oder wie Frauen Geburtsschmerzen am besten „ganz natürlich“ aushalten sollen. Oder dass sie weniger verdienen. Oder sexualisierte Übergriffe in der Disko: „Jetzt hab dich doch nicht so! War doch nur ein Scherz!“ Ich habe aber nicht ausgehalten. Nicht darauf gewartet, ob es wohl irgendwann besser wird.
- Ich war nicht dankbar. Frauen sollen oft dankbar sein. Einen Job zu haben, obwohl sie ja schwanger werden könnten. Dass der Mann auf der Straße ihnen hinterherpfeift: „Das ist doch ein Kompliment!“ Dass sie überhaupt einen Partner haben: „Denn seien wir mal ehrlich, den Schönheitsnormen entspricht sie ja nun nicht gerade, und dann ist sie auch immer so anstrengend!“ Dass sie Applaus bekommen für ihre systemrelevante Arbeit. Ich hätte also dankbar sein können, überhaupt einen Job zu haben. Wollte ich aber nicht.
- Ich habe Ansprüche gestellt. Ich möchte einen Job, der mir Freude bringt, größtenteils zumindest. In dem ich all das, was ich gut kann, nutzen kann. In meinem Fall zum Beispiel: Menschen beraten, kreativ sein.
- Ich habe meine Scham nicht siegen lassen. Die Scham darüber, nicht durchzuhalten, obwohl es ja aushaltbar war. Darüber, dass mein Körper mir viele Warnsignale schickte und ich auf sie gehört habe.
Das alles macht meine Kündigung feministisch. Denn ich habe mich Normen widersetzt, „wie eine Frau zu sein habe“ (O-Ton Patriarchat). Das war nicht leicht, denn besagtes Patriarchat spricht auch in und aus mir. Aber ich habe es geschafft. Aber Achtung! Nun komme ich dazu, warum diese Kündigung nicht antikapitalistisch und intersektional-feministisch war:
Ich habe unglaubliche Privilegien. Ich bin weiß. Ich bin gut ausgebildet. Ich bin jung. Ich bin gesund. Ich bin habe keine Behinderung. Ich bin nicht von Bodyshaming oder anderen Formen von Diskriminierung aufgrund meines Äußeren betroffen. Ich habe eine glatte Bildungs- und Berufsbiographie. Ich bin kinderlos, meine Entscheidung betrifft nur mich. Ich habe ein bisschen Geld für den Notfall sparen können. Ich wohne in einer Stadt mit gutem Jobangebot. Und in einem Land mit Arbeitslosenversicherung (da ist nicht alles geil, aber trotzdem). Ich habe Freund*innen, die mich unterstützen.
Ich werde wieder eine Lohnarbeit suchen. Ich brauche das Geld. Und ich mache noch viel zu viel meinen Wert an meiner Produktivität fest.
Solange Menschen ohne diese Privilegien nicht einfach kündigen können, war meine Kündigung im großen Gefüge nicht feministisch. Für mich schon, ja. Aber ich werde mich hüten, jetzt andere dazu zu beratschlagen und meinen Weg als den besten darzustellen. Oder mich gar mit Kündigungs-Coaching selbständig zu machen. (Obwohl? – Scherz.) Ich werde für mich feiern, meine Freund*innen aus der Ferne herzen, wieder einen Job suchen – und weiterhin im kleinen Rahmen gegen das Patriarchat kämpfen.
Zombiane liebt vermeintlich hässliche Architektur, ungeliebte Stadtteile und intersektionalen Queer-Feminismus. Außerdem ist sie Fan von Nerd-Kram wie Buffy und Dr. Who. Zombiane ist Sozialarbeiterin und schreibt gerne Postkarten.