Joanne K. Rowling ist transfeindlich. Was bedeutet das für Fans von „Harry Potter“?

Joanne K. Rowling ist transfeindlich. Was bedeutet das für Fans von „Harry Potter“?

Joanne K. Rowling, die Autorin von „Harry Potter“, hat sich auf Twitter erneut transfeindlich geäußert. In diesem Artikel schaue ich mir die Tweets genauer an – und überlege, welche Konsequenzen ich als langjähriger Harry-Potter-Fan daraus ziehen kann.

Achtung, im folgenden Artikel finden sich Screenshots von JKRs Aussagen. Ich bespreche diese inhaltlich, um daran Transfeindlichkeit zu erläutern. Wenn ihr selbst von Transfeindlichkeit betroffen seid, braucht ihr diese Erläuterungen nicht fürs Verständnis. Lest stattdessen lieber etwas anderes, das euer Wohlbefinden stärkt. Wenn ihr allerdings cis Harry-Potter-Fans seid: Das hier geht euch direkt an.

Nicht nur cis Frauen menstruieren

Am 7. Juni 2020 veröffentlichte Joanne K. Rowling eine Reihe transfeindlicher Tweets. Ja, während eigentlich die Aufmerksamkeit auf #BlackLivesMatter liegen sollte. Ja, im Pride Month, während dem wir nicht vergessen sollten, dass wir die Existenz von LGBTQIA+-Rechten nicht zuletzt Schwarzen trans Frauen verdanken. Noch beschissener als das Timing war eigentlich nur der Inhalt der Tweets. Ich greife drei Beispiele heraus:

Screenshot eines Tweets von JKR. Übersetzung: „Menschen, die menstruieren“. Ich bin sicher, es gab ein Wort für diese Menschen. Helft mir mal. Frauben? Freuen? Fruuen?"
Übersetzung: „’Menschen, die menstruieren‘. Ich bin sicher, es gab ein Wort für diese Menschen. Helft mir mal. Frauben? Freuen? Fruuen?“

Stein des Anstoßes war für sie die Headline eines Artikels. Er kritisiert, dass das Stigma um Menstruation dafür sorgt, dass viele Menschen keinen Zugang zu Periodenprodukten haben. Ein wichtiges feministisches Thema also. Für JKR war jedoch die Beschreibung „Menschen, die menstruieren“ ein Problem. Dabei nehmen inklusive Begriffe menstruierenden Frauen ihre Erfahrungen nicht weg. Sie zeigen nur auf, dass sie nicht die einzigen sind, die berücksichtigt werden müssen. Transfeindlich ist JKRs Aussage, weil sie entscheidet, dass Biologie (also das Vorhandensein eines bestimmten Organs und dessen Tätigkeit) wichtiger sei als die Identität (also: alles) eines Menschen. Um dieser Unterscheidung gerecht zu werden, wird im Englischen auch zwischen „sex“ (körperliche Merkmale) und „gender“ (Geschlechtsidentität) unterschieden.

Trans Personen werden diskriminiert

Screenshots eines Tweets von JKR. Übersetzung: "Ich respektiere das Recht jeder trans Person, auf jede Weise zu leben, die sich für sie authentisch und angenehm anfühlt. Ich würde mit euch demonstrieren, wenn ihr auf Grundlage eures Trans-Seins diskriminiert werden würdet. Gleichzeitig ist mein Leben dadurch geprägt, dass ich weiblich bin. Ich glaube nicht, dass es hasserfüllt ist, das so zu sagen."
Übersetzung: „Ich respektiere das Recht jeder trans Person, auf jede Weise zu leben, die sich für sie authentisch und angenehm anfühlt. Ich würde mit euch demonstrieren, wenn ihr auf Grundlage eures Trans-Seins diskriminiert werden würdet. Gleichzeitig ist mein Leben dadurch geprägt, dass ich weiblich bin. Ich glaube nicht, dass es hasserfüllt ist, das so zu sagen.“

Hier steckt eine ganze Menge drin, lasst uns der Reihe nach vorgehen. „Anfühlen“ deutet erneut darauf hin, dass JKR die Geschlechtsidentität eines Menschen nicht ernst nimmt – sonst hätte sie schlicht „ist“ schreiben können (einer Autorin traue ich zu, ihre Worte bewusst zu wählen).
„Wenn ihr diskriminiert werden würdet“: Hätte sie sich wirklich so intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt, wie sie in einem der anderen Tweets behauptet, hätte sie auf die Diskriminierung von trans Personen stoßen müssen (Queer.de berichtet hier über aktuelle Fallzahlen in Berlin). Und: Niemand spricht ihr ab, über sich selbst und ihre Erfahrungen als Frau zu sprechen. Das zu behaupten ist ein Strohmannargument – denn tatsächlich geht es hier darum, dass sie anderen Menschen das Recht abspricht, über ihre Erfahrungen mit den Worten zu sprechen, die für sie passend sind. 

TERF ist keine Beleidigung

Screenshot eines Tweets von JKR. Übersetzung: „Feminazi, TERF, Bitch, Hexe. Zeiten ändern sich. Frauenhass währt ewig.“
Übersetzung: „Feminazi, TERF, Bitch, Hexe. Zeiten ändern sich. Frauenhass währt ewig.“

JKR behauptet, TERF sei ein Beispiel für den Hass auf Frauen. Allerdings ist TERF erst einmal nur eine Beschreibung: trans-exclusionary radical feminist steht für eine radikale Feministin, die trans Personen aus ihrem Aktivismus ausschließt. Mir würde im Traum nicht einfallen, jemanden durch die Bezeichnung „Feministin“ zu beleidigen. Dass TERF negativ belegt ist, liegt daran, dass viele Menschen Transfeindlichkeit ablehnen.

Diese sonntäglichen Tweets allein wären schlimm genug (erst recht in Kombination mit dem nachfolgenden Statement), wenn JKRs Ausbruch ein Einzelfall wäre. Aber die Geschichte von JKRs Transfeindlichkeit zieht sich bereits über zwei Jahre.

Autorin von „Harry Potter“ auf Twitter: Immer wieder transfeindlich aufgefallen

Zuletzt hat sie im Dezember 2019 eine Ökonomin verteidigt, die von ihrem Arbeitgeber aufgrund von Tweets entlassen wurde, die unter anderem folgende Formulierung enthielten: „Ich glaube nicht, dass ‚Frausein‘ eine Frage der Identität oder weiblicher Gefühle ist. Es geht um Biologie.“ (Ihr erkennt das Muster.)

Kritik gibt es aber schon seit 2018. Damals hatte JKR einen Tweet geliked, in dem trans Frauen als „Männer in Kleidern“ bezeichnet wurden und folgte außerdem transfeindlichen Profilen. Ihre Managerin entschuldigte das damals damit, JKR habe einen „clumsy, middle-aged moment“ gehabt, also den schusseligen Ausrutscher einer Frau, die nicht mit dem Internet aufgewachsen ist und deswegen manchmal falsch klickt.

Auch „Harry Potter“ ist transfeindlich

Viele Harry-Potter-Fans sind entweder selbst queer oder laut einer Studie von 2014 zumindest überdurchschnittlich LGBTQIA+-freundlich. Das ist kein Wunder, denn die Geschichte von Harry Potter ist sehr anschlussfähig an queere Lebenserfahrungen: Als Junge kommt Harry aus dem Schrank (engl.: „coming out of the closet = sein Coming-Out haben“). Er erlebt Hass durch Menschen, die anders sind als er, findet aber dann eine Community, in der er Akzeptanz findet.

Außerdem gibt es eine Menge queer-coding, die es Fans ermöglicht, queere Fanfiction zu schreiben. Beispielsweise gibt es Unmengen von Geschichten, in denen sich Harry Potter und Draco Malfoy ineinander verlieben oder in denen Sirius Black und Remus Lupin ein Paar sind.

Daher ist es verständlich, dass in den vergangenen Tagen viele Fans sich darauf berufen haben, Werk und Autorin zu trennen; ihren Twitter-Account einfach zu ignorieren und sich auf ihre Liebe für die Bücher zu konzentrieren.

Allerdings stecken auch in „Harry Potter“ Szenen, die transfeindlich sind. Ein Beispiel, das ich in der Rezension von „Support your sisters, not your cisters“ bereits angesprochen habe, ist die Szene mit Severus Snape in Frauenkleidung. Er soll dadurch lächerlich gemacht werden – und JKR sieht trans Frauen als Männer in Kleidern. Weniger auffällig ist, dass böse Charaktere oft daran erkennbar sind, dass ihre Genderpräsentation nicht typisch ist. So wird Rita Skeeter im vierten Band mit deutlich männlich-codierten Worten beschrieben: große, männliche Hände und ein starker Unterkiefer mit prominentem Kinn. Außerdem nutzt sie ihre Fähigkeit, sich illegalerweise in einen Käfer zu verwandeln, um Leuten an normalerweise geschützten Orten hinterherzuspionieren. Das passt sehr gut zu dem Vorwurf, trans Frauen würden cis Frauen und Mädchen in Toiletten und Umkleiden auflauern. Böse Männer wie Severus Snape oder Lucius Malfoy werden (beispielsweise über langhaarige Frisuren) feminisiert (ausführlichere Informationen dazu findet ihr im englischsprachigen Podcast Witch Please).

Eine Trennung von Werk und Autorin funktioniert also nicht. Sie wäre ohnehin schwierig, da JKR Geld damit verdient, wenn wir offizielle Harry-Potter-Produkte konsumieren. Wer das Werk finanziell unterstützt, bezahlt sie also, egal wie si*er JKR als Person findet.

Was kann ich als Harry-Potter-Fan tun?

In sehr verkürzter Form lautet meine Empfehlung: Hört auf, ihr Geld zu geben. Zum Beispiel, indem ihr…

  • nicht mehr ins Kino geht, wenn ein neuer Film aus dem Potterverse rauskommt.
  • das Stück Cursed Child nicht im Theater anschaut.
  • kein offizielles, also lizensiertes Merch kauft.

In letzter Konsequenz kann das bedeuten, dass ihr euch ganz von Harry Potter abwendet. Twitter-Nutzer*in Brad Krautwurst hat eine Liste mit trans/nichtbinären Fantasy- und Science Fiction-Autor*innen (englischsprachig) zusammengestellt, die ihr stattdessen lesen und unterstützen könntet. Wenn dieser Schritt (noch) zu groß ist, gibt es aber auch andere Möglichkeiten, zumindest JKR die finanzielle Unterstützung zu entziehen:

  • Ihr könnt die Bücher gebraucht kaufen.
  • Kauft Merch nur noch von (queeren) Künstler*innen.
  • Ihr könnt queeren Auseinandersetzungen mit dem Text folgen und sie unterstützen. The Gayly Prophet ist ein Podcast auf Englisch, der sich die Romane aus einer lesbischen/trans Perspektive anschaut; wenn ihr entsprechende deutsche Podcasts etc. kennt, lasst es mich gerne über die Kommentare wissen.
  • Wenn ihr schon richtig viel Geld für Harry-Potter-Devotionalien ausgegeben habt, könnt ihr „Reparationen“ leisten und einen entsprechenden Betrag an Organisationen spenden, die trans Personen unterstützen (z. B. TransInterQueer e.V. oder Lambda).
  • Gleiches gilt, wenn ihr eure Sammlung loswerden wollt: Statt sie wegzuwerfen, könntet ihr sie verkaufen und den Erlös spenden.

Wenn ihr trans Freund*innen habt, die Harry Potter den Rücken kehren, versucht sie nicht davon zu überzeugen, dass das Buch aber eigentlich eine Botschaft der Akzeptanz und der Liebe verbreitet. Lasst sie mit allem in Ruhe, was mit JKR zu tun hat.

Harry Potter ist nicht nur transfeindlich

Ich habe mich in diesem Artikel darauf konzentriert, dass die geistige Mutter von Harry Potter transfeindlich ist. Das heißt nicht, dass das der einzige Aspekt wäre, der an ihr oder ihrem Werk zu kritisieren wäre. Charlie Fischer hat im Blog von bundeswettbewerbe.berlin einen Rundumschlag angestrebt und spricht unter anderem noch Rassismus, Fettfeindlichkeit, und Be_hindertenfeindlichkeit an.

Anmerkung: Ich habe die Sätze zu Rita Skeeter ausgebaut, um noch deutlicher zu machen, wie transfeindlich ihre Beschreibung ist.

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