In ihrem Buch „Support your sisters, not your cisters” (2017) kritisiert die Musikerin FaulenzA („Einhornrap“) auf Frauen bezogene Trans*feindlichkeit in Medien und Gesellschaft – und ganz besonders auch in feministischen Kreisen. Die Lektüre ist daher nicht unbedingt eine Wellness-Behandlung, aber umso empfehlenswerter.
Selbst Hogwarts ist trans*misogyn: Im dritten Schuljahr machen die Schüler*innen rund um Harry Potter Bekanntschaft mit einem Irrwicht. Dieses magische Wesen verwandelt sich in das, vor dem sich die jungen Hexen und Zauberer am meisten fürchten. Zum Beispiel in Professor Snape, einen Lehrer, der seine Schützlinge seit Jahren drangsaliert. Die Lösung besteht darin, den Irrwicht auszulachen – und was kann das Lächerlichste sein, was man dem fiesen Lehrer Snape antun kann? Ihn in Frauenkleider stecken natürlich. Höhö, ein Mann im Kleid. Voll witzig! Ernsthaft?
Nachdem ja schon länger bekannt ist, dass Joanne K. Rowlings Bücher Geschlechterstereotype reproduzieren (zum Beispiel das Klischee der verrückten Katzenfrau) und die Autorin zuletzt gestern trans*feindlich aufgefallen ist, boxt FaulenzA mit dieser Szene einmal mehr mein gebeuteltes Fanherz. Und das ist nicht die einzige schmerzhafte Kritik in „Support your sisters, not your cisters“.
Worum geht’s?
Aber was bedeutet „trans*misogyn“ eigentlich? Mit dieser Frage steigt FaulenzA in „Support you sisters, not your cisters“ ein und erklärt, dass Trans*misogynie sich aus „trans*“ und „Misogynie“ zusammensetzt und sich mit „Feindlichkeit gegenüber trans* Frauen“ übersetzen lässt. Doch hinter dem recht sperrigen Wort verbirgt sich noch viel mehr. Zu Trans*feindlichkeit und der Abwertung von Weiblichkeit kommen auch noch Klassismus und Ableismus dazu. Klassismus bedeutet die Abwertung aufgrund von finanziellen/sozialen Verhältnissen – und es ist teuer, trans* und unauffällig zu sein. Zum Beispiel, weil Haarentfernung, schicke Kleidung und Accessoires darüber entscheiden können, ob trans* Frauen als Frauen wahrgenommen werden. Ableismus bedeutet Behindertenfeindlichkeit und ist im Zusammenhang mit trans* Personen von Bedeutung, da „Transsexualität“ (so die Formulierung im Gesetz) als Persönlichkeitsstörung gilt. Um mit korrektem Geschlechtseintrag im Pass leben zu können müssen trans* Menschen eine Therapie absolvieren, die zeigen soll, ob sie tatsächlich trans* sind. Diese Praxis wird von Betroffenen oft kritisiert.
Transmisogynie im Feminismus
Nach der ausführlichen Erklärung des Begriffs wendet FaulenzA sich ihrem Schwerpunkt zu: der Trans*misogynie in der feministischen und queeren Szene. Dabei erzählt sie vor allem von ihren persönlichen Erfahrungen: Dass der androgyne (Kleidungs-)Stil so gefeiert würde, dass feminine Outfits dafür abgewertet würden. Dass sie von FLTI*-Räumen (also Räumen für Frauen, Lesben, trans* und inter Personen) ausgeschlossen wurde, weil sie nicht als Frau anerkannt wurde oder dass ihr die Weiblichkeit abgesprochen wurde, weil ihr Genital als Penis gelesen wird. Insgesamt sei die feministische/queere Szene sehr verhaftet in der Mainstreamvorstellung, was „männliche“ bzw. „weibliche“ Genitalien seien, was sich zum Beispiel in Motiven niederschlägt, die Penisse (oder Bananen etc.) als Abkürzung für Männlichkeit und Sexismus oder das Motto „Viva la Vulva“ als weibliches Empowerment nutzen.
Aber natürlich gibt es auch außerhalb des Feminismus Diskriminierung von trans* Frauen. Ein ganzes Kapitel widmet sich der Transmisogynie in den Medien (und Harry Potter ist nicht das einzige Negativbeispiel!), ein weiteres der Gewalt, die viele trans* Personen und insbesondere trans* Frauen erfahren. Auch hier gibt’s neben Statistiken viele persönliche Erfahrungen und Anmerkungen. Im letzten Teil des Buches gibt FaulenzA Tipps, wie mensch sensibler und unterstützender umgehen kann – zum Beispiel, indem wir uns solidarisch zeigen, wenn Partys oder Workshops trans* Frauen ausschließen.
Wie liest sich „Support your sisters, not your cisters“?
Sehr positiv ist mir aufgefallen, dass FaulenzA regelmäßig betont, dass sie aus ihrer persönlichen Sicht schreibt – als weiße Person, die sich in eine der binär vorgegebenen Geschlechtskategorien einordnet und die dadurch gewisse Privilegien genießt – und nicht für Menschen sprechen kann und möchte, die diese Privilegien nicht haben.
FaulenzAs Stil ist dabei, genau wie die Perspektive, sehr persönlich. Ihre Worte kommen frei von der Leber weg. Stellenweise wirkt die Sprache dadurch ungeschliffen und mit den Smileys im Fließtext teilweise eher wie die Mail einer Freundin als ein Sachbuch. „Support your sisters, not your cisters“ bleibt auch deswegen immer zugänglich, weil FaulenzA versucht, schwierige Begriffe zu vermeiden. Sind sie doch mal nötig („Trans*misogynie“ zum Beispiel), werden sie entweder ausführlich im Text oder im Glossar am Ende des Buchs erläutert oder mit einem in Klammern gesetzten Synonym ergänzt. Ich find’s super, dass auf diese Weise Barrieren abgebaut werden und das vielschichtige Thema für mehr Menschen zugänglich gemacht wird – und dadurch am Ende hoffentlich auch mehr trans* Frauen von den so transportierten Erkenntnissen profitieren können.
FaulenzA nimmt ihre Leser*innen an die Hand – das müsste sie nicht tun
Trotz klarem Appell für mehr Akzeptanz trans*weiblicher Personen in feministischen Räumen und viel erkennbarer Wut: FaulenzA bleibt im ganzen Buch freundlich, fast schüchtern. Wer also gerne möglichst freundlich Dinge ausführlich erklärt bekommen möchte, ist hier richtig. Ich betone das an dieser Stelle, weil „tone policing“ gegenüber marginalisierten Menschen so häufig ist. „Tone policing“ bedeutet, dass nicht auf den Inhalt eingegangen, sondern stattdessen der Ton und die zugrundeliegende Emotion kritisiert wird; dass marginalisierten Menschen vermittelt wird, sie müssten ihre Kritik unbedingt so sachlich und freundlich wie irgendmöglich vermitteln und anschließend höflich „bitte“ zu sagen. Fun fact: Müssen sie nicht. Dass FaulenzA ihre Leser*innen hier so an die Hand nimmt, ist ein Geschenk, das mensch nicht für selbstverständlich oder gar für verdient halten sollte.
Ergänzt wird FaulenzAs Text durch Illustrationen von Yori Gagarim. Sie zeigen Porträts verschiedener trans*weiblicher Personen. Mal mit weichen, mal mit harten Gesichtszügen. Mal mit, mal ohne Bartstoppeln. Mal lächelnd, mal ernst. Sie sind ganz unterschiedlich – und weit, weit weg vom Zerrbild eines Professor Snapes im Kleid.
„Support your sisters, not your cisters!“ ist ein Muss für cis Feminist*innen!
Ich würde mir wünschen, dass gerade cis Feminist*innen „Support your sisters, not your cister“ lesen. Die Aufforderung, nicht nur um den eigenen Uterus zu kreisen, sondern marginalisierte Personen unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität zu unterstützen – sie ist nötig. Wer intersektional handeln möchte, darf die Perspektive(n) trans*weiblicher Personen nicht ignorieren und muss den Blick dafür schärfen, wo mensch selbst ausschließend handelt. Und FaulenzA zeigt uns sehr genau, wo wir dabei hinschauen müssen.
Anmerkung: Die Schreibweise „trans*“ wurde hier analog zur Verwendung durch FaulenzA gewählt.

Wenn Sabrina nicht den Instagram-Account der *innenAnsicht pflegt, hört sie am liebsten politische Podcasts über Harry Potter, während sie Tee aus eimergroßen Tassen trinkt.
2 thoughts on “„Support your sisters, not your cisters“: Aufholbedarf bei Feminist*innen”