Frau Jule: Eine Homestory, die einer Liebeserklärung gleicht

Frau Jule: Eine Homestory, die einer Liebeserklärung gleicht

Eine Homestory ist normalerweise ein Beitrag über eine berühmte Person, bei der die Leser*innen einen Blick in deren Privatleben werfen können. Neugierig, wie ich bin, finde ich das spannend. Noch spannender finde ich es jedoch, solche Blicke in das Leben von Menschen zu werfen, die sich als feministisch bezeichnen oder die ich als feministisch wahrnehme. Wie leben sie, was lesen sie, woran hängt ihr Herz?

Homestory: Besuch bei Frau Jule in Hamburg. 
Das Foto zeigt eine Laterne mit dem Symbol der Antifa.

Frau Jule sagt auf ihrem Blog, dass sie sich freut und dankbar ist, dass „die Jugend“ heute so politisch und engagiert ist, da „die Welt das braucht“. Ich sage, ich bin froh und dankbar, dass es Lehrer*innen wie Frau Jule gibt, die so engagiert und politisch sind, weil die Welt das braucht!

An der Tür empfängt Frau Jule mich in Statement-Shirt („Ficken, Fußball, Feminismus“) und -Kette („Antifa“) und vor allem mit einer offen-achtsamen Umgangsart. „Möchtest du eine Umarmung?“ Nordlicht, das ich bin, bin ich – Achtung, Schublade! – mit solchen körperlichen Sympathiebekundungen manchmal überfordert. Somit konnte ich dieses Angebot erst am Ende unseres Gesprächs annehmen.

Frau Jule: „Das Millerntor-Stadion ist für mich ein Safe Place.“

Achtsamkeit ist Jule wichtig, aber auf eine politische, nicht auf eine Kerzen-anzünden-Art. Das ist auch, was sie an St. Pauli und dem Fußballgucken dort schätzt. „Das Millerntor-Stadion ist für mich ein Safe Place. Da brauche ich mal keine Kämpfe kämpfen.“ Begeistert beschreibt Frau Jule, dass dort die Parole „Kein Sexismus, kein Faschismus!“ gelebt werden – in den allermeisten Fällen zumindest. „Letztens hat einer einen zwar selbstironischen, aber rassistischen Witz gemacht und auf einmal kam von überall her: ‚Hey, so was geht hier nicht!‘ Solche Erfahrungen sind toll.“ Außerdem seien die Spiele ein Ort, an dem geschrien, Wut rausgelassen und gefeiert werden kann.

Homestory: Zu Besuch bei Frau Jule in Hamburg. 
Das Foto zeigt Aufnäher auf Frau Jules Jeansjacke. Lesbar ist "all inclusive - auch du?"
Inklusion ist ein treibender Anspruch in Jules Leben

Jules Fußballsozialisation begann in Frankfurt, doch St. Pauli ist ein Vorreiter in Sachen politische Arbeit im Fußball. Dafür hagelt es auch immer wieder Kritik, wie im Oktober 2019, als sich der Verein vom Spieler Cenk Sahin trennte, nachdem dieser in einem Instagram-Post die Syrien-Offensive der Türkei begrüßte. Das ging für viele Kritiker*innen zu weit, aber Jule schätzt es, dass der Verein seine Verantwortung anerkennt – in diesem Fall seine klare Ablehnung kriegerischer Handlunge –  und dass viele andere Vereine jetzt nachziehen. „Fußball ist eine verbindende Größe in Deutschland.“ Und Fußball sei ein gutes Instrument, um wichtige, gute Dinge zu vermitteln. Der FC St. Pauli organisiert beispielsweise antirassistische Fußballturniere, hat ein Präventionskonzept gegen sexualisierte Gewalt und die „Waldverbesserer“, ein Projekt der St. Pauli Kiezhelden, pflanzen Baume gegen den Klimawandel an.

Frau Jules Lieblingsplätze in Hamburg sind der Park Fiction, die Eisbande in der Schanze im Sommer und ihre Wohnung. „Minimalismus ist nicht mein Style, aber ich fühle mich wohl inmitten von Literatur und Kreativität.“

Alle Erfahrungen sollten gehört werden

Über die Möglichkeiten des Vermittelns macht Frau Jule sich viele Gedanken. In ihrer Arbeit als Lehrerin mit Inklusionsauftrag und auch in ihrer politischen Arbeit. Dabei beschäftigt sie sich vor allem mit Sprache. Wie kann Sprache inklusiver werden, so dass sie alle mitnimmt und nicht noch weiter Unterschiede betont? „Wenn ich auf einem Plenum bin und jemand gebasht wird, weil sie*er den sprachlichen Duktus nicht beherrscht, finde ich das schwierig. Wie sollen so alle Erfahrungen gehört werden?“

Müsste sich Jule zwischen Antifaschismus und Feminismen entscheiden, würde sie ersteres wählen, da dieser Begriff für sie auch die Belange von Menschen aller Geschlechter umfasst. Und weil Faschismus so eine konkrete Bedrohung darstellt. „Ich bin nicht in feministischen Gruppen aktiv, bringe aber feministische Themen in mein Leben ein.“ Zum Beispiel bei Anträgen zu barrierefreiem Ausbau von Schulgeländen oder genderoffenen Toiletten.

Mit Handarbeit und Lesekreis schaltet Frau Jule ab

Homestory: Zu Besuch bei Frau Jule in Hamburg. 
Das Foto zeigt einen Ausschnitt aus Frau Jules Bücheregal. Von links ragt eine Pflanze hinein.
Jules Literaturtipp ist Selim Özdoğan

Die Grenzen von Arbeit, politischem Engagement und Freizeit sind fließend in Jules Leben. Daher fällt ihr das Abschalten auch manchmal schwer. Was ihr dabei hilft, sind Handarbeit und ihr Lesekreis. Dort lesen sie gerade Hermann Hesses Siddhartha. Ihr persönlicher Literaturtipp ist Selim Özdoğan: Die Tochter des Schmieds. „Der Autor und ich haben uns parallel entwickelt. Erst schrieb er Popliteratur, dann ging es um Yoga, nun schreibt er sehr literarisch mit einem migrantischen Blick.“

Mehr zu Frau Jule, ihrer Handarbeit und ihren Ansichten könnt ihr auf ihrem Blog Frau Jule: DIY or Die! lesen.

Du hast auch Lust auf eine feministische Homestory? Dann melde dich gerne! Das Interview kann anonymisiert erfolgen und bei dir zu Hause oder im Telefoninterview stattfinden.

2 thoughts on “Frau Jule: Eine Homestory, die einer Liebeserklärung gleicht

  1. Da bin ich jetzt mal ganz oberflächlich: Der Einblick ins Gehäuse von Frau Jule hat mich begeistert, denn so wird sie mir noch sympathischer! Die anderen Seiten kenne ich ja aus ihrem Blog, und dort teile ich Etliches mit ihr, vor allem den Beruf, die antifaschistische Haltung, den Feminismus ( wobei der sich bei mir wohl eher in meinem privaten Forschungsprojekt ausdrückt ), die Norwegenliebe. Spannend ist für mich immer, wenn sie von Sachen berichtet, mit denen ich gar nichts am Hut habe wie Fußball oder ihre Musik. Ich bin einfach neugierig auf die Vielfalt der Menschen. Und so bin ich auch mal hier in diesem Blog gelandet…
    Liebe Grüße
    Astrid

    1. Hallo Astrid,

      wie schön, dass du hier gelandet bist. Ich hoffe, du konntest hier auch über die Einblicke in Frau Jules Zuhause Interessantes entdecken – und magst dann und wann wiederkommen.

      Liebe Grüße aus der Redaktion!

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