Wie du Troll-Techniken in Online-Diskussionen erkennst

Wie du Troll-Techniken in Online-Diskussionen erkennst

Wenn du an Online-Diskussionen teilnimmst, sind Begegnungen mit Trollen leider unvermeidbar. Oft erkennt mensch sie auf den ersten Blick: Sie beschimpfen dich oder andere und machen gleich im ersten Satz deutlich, dass sie nichts von Feminismus oder Menschenrechten für bestimmte Gruppen halten. Das ist ätzend, aber immerhin ziemlich eindeutig. Schwieriger ist es, wenn Personen unauffälligere Methoden nutzen, um Diskussionen aus dem Tritt zu bringen. Ein paar dieser Troll-Techniken möchte ich im Folgenden vorstellen, damit du sie in Zukunft schneller erkennst und besser reagieren kannst.

Troll-Technik 1: Tone Policing – „Erklär mir das nett und freundlich!“

Die Situation: Du weist darauf hin, dass ein*e Kommentator*in diskriminierende Inhalte postet. Statt auf deine Kritik einzugehen, holt der Troll direkt zum Gegenangriff aus: Er beschwert sich darüber, dass deine Kritik viel zu emotional und aggressiv sei. Er behauptet, dass du andere leichter überzeugen könntest, wenn du deine Kritik höflich und freundlich formulierst. Diese Form der Troll-Techniken nennt man „Tone Policing“, also Überwachung des Tonfalls.

Das Fiese daran: Mit diesem Gegenangriff soll deine Kritik delegitimiert werden. Plötzlich ist nicht mehr der diskriminierende Inhalt des Trolls das Problem, sondern du, weil du angeblich gemein zu ihm bist. Und weil du das Problem bist, sind deine Inhalte nicht mehr relevant. In der Konsequenz macht er dich dafür verantwortlich, dass er nicht mehr diskriminierend ist, denn du bist in dieser Darstellung schuld an seiner Lernunwilligkeit.

Das ist insbesondere dann unverschämt, wenn du zu der Gruppe gehörst, die in der Diskussion angegriffen wird. Denn das bedeutet einerseits, dass du dich wahrscheinlich schon viel zu oft mit diskriminierenden Bemerkungen auseinandersetzen musstest. Andererseits bedeutet es vermutlich auch, dass es für dich um viel mehr geht, als um einen erquicklichen verbalen Schlagabtausch – nämlich um alltägliche Gewalterfahrungen. Kein Wunder also, wenn diskriminierende Inhalte bei dir Wut auslösen! In einer solchen Diskussion so zu tun, als seien deine Emotionen und du das Problem und nicht etwa die diskriminierenden Angriffe, ist eine Täter*innen-Opfer-Umkehr.

Troll-Technik 2: Sea Lioning – „Aber warum heißt das Feminismus, wenn es doch um Gleichberechtigung geht?“

Die Situation: Kurz nach Beginn einer Diskussion stellt der Troll seine harmlos erscheinende erste Frage. Doch auf deine Antwort folgt direkt die Anschlussfrage. Der Troll möchte alles ganz genau erklärt bekommen und fordert diverse Nachweise. Du siehst dich gezwungen, einen kompletten Kurs in „Feminismus für Anfänger*innen“ zu liefern und verbringst die nächsten Stunden damit, Statistiken und Studien herauszusuchen und mundgerecht aufzuarbeiten. Diese Troll-Technik nennt sich „Sea Lioning“, nach einem Strip im englischsprachigen Webcomic „Wondermark“ über einen Seelöwen. 

Das Fiese daran: Für Unwissende sieht es aus, als sei der Troll ein*e lernwillige*r Anfänger*in. Seine vermeintliche Planlosigkeit weckt Beschützungsinstinkte bei eurem Publikum. Reagierst du harsch, wirst du dafür oft von Mitlesenden angegriffen: „Aber der will doch nur was lernen!“, „Wir sind ja alle nicht mit diesem Wissen geboren!“, „Sei doch nicht so elitär!“ Und tatsächlich: Wir müssen alle lernen, gerade wenn wir aufgrund verschiedener Privilegien Diskriminierung nicht selbst erleben und deshalb Ausmaß und Auswirkungen nur aus zweiter Hand erfahren können.

Nur: Das Lernen über strukturelle Unterdrückungsmechanismen ist in weiten Teilen eine eigenverantwortliche Angelegenheit. Insbesondere in sozialen Netzwerken findet viel Bildung zu den verschiedenen Themen statt, die anfänger*innentauglich ist und erstmal nichts kostet. Daher hat keine*r von uns hat ein Anrecht darauf, kostenlose Bildungsarbeit von (anderen) Feminist*innen innerhalb jeder Diskussion abzugreifen. Und keine*r hat ein Recht darauf, Diskussionen mit (vorgespielten oder tatsächlichem) Unwissen lahmzulegen. Es kann natürlich immer mal sein, dass mensch einen bestimmten Begriff, eine Abkürzung o.ä. nicht kennt. Das ist keine Schande. Aber dann sollte mensch erstmal versuchen, das Rätsel selbst zu lösen – zum Beispiel mithilfe einer Suchmaschine. Oft ist die Lösung nur einen Klick entfernt!

Troll-Technik 3: Concern Trolling – „Ich mach mir doch nur Sorgen um deine Gesundheit!“

Die Situation: Du liest Kommentare unter einem Post zum Thema Fettfeindlichkeit – also zur strukturellen Diskriminierung von Menschen mit großen Körpern. Schon ganz oben stößt du auf ein Beispiel für das sogenannte Concern Trolling, also „Besorgnis-Trollen“. Es sei ja gut und schön, den eigenen Körper zu mögen, schreibt er. Aber es sei ja nun mal so, dass ein hohes Körpergewicht (er benutzt hier einen pathologisierenden Ausdruck) ein Gesundheitsrisiko sei. Und daher sei es total wichtig, hochgewichtige Körper nicht zu feiern. Der Troll tut an dieser Stelle so, als sei er schlicht besorgt, dass Menschen sich einem gesundheitlichen Risiko aussetzten, wenn die Stigmatisierung aufhören würde. Und wer sich um jemanden sorgt, will dem Gegenüber doch nichts Böses. Oder?

Das Fiese daran: Doch, natürlich will dieser Troll etwas Böses. Nämlich einerseits, sich selbst wie beschrieben gegen Kritik immunisieren und andererseits – um beim Beispiel zu bleiben – die Stigmatisierung von hohem Körpergewicht aufrechterhalten. Der Troll ist nicht bereit, strukturelle Gewalt zu hinterfragen oder gar abzubauen. Das bedeutet in der Konsequenz: Es ist für ihn okay, dass bestimmte Menschen beschissen behandelt werden. Er legitimiert unter dem fürsorglichen Deckmantel gesellschaftliche Unterdrückung und die Stigmatisierung einer Menschengruppe.

Übrigens: Dieses Verhalten gibt es auch offline. Zum Beispiel, wenn der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn fünf Millionen Euro einplante, um die psychischen Auswirkungen von Schwangerschaftsabbrüchen zu untersuchen – statt das Geld beispielsweise in Hilfe für schwangere Menschen in Not, Hebammen oder Geburtshilfe zu investieren. Nebenbei bemerkt: Die psychischen Auswirkungen von Schwangerschaftsabbrüchen sind natürlich längst erforscht. Menschen leiden in erster Linie unter der ungewollten Schwangerschaft und der Stigmatisierung von Abbrüchen.

Macht euren Teil des Internets sicher(er)

Es kann natürlich sein, dass du Personen begegnest, die eine dieser Troll-Techniken nutzen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Vielleicht hast du sogar schon selbst einmal versehentlich getrollt. Aber egal ob Absicht besteht oder nicht: Tone Policing, Sea Lioning und Concern Trolling reproduzieren diskriminierende Inhalte, lenken vom Leid der Betroffenen ab und binden immense emotionale Kräfte, die an anderer Stelle dringend benötigt würden. Deshalb ist es wichtig, auf diese Troll-Techniken hinzuweisen. Lasst Trolle nicht damit durchkommen!

Gerade, wenn ihr Kommentarspalten moderiert – sei es in euren eigenen Profilen, in Gruppen oder Chats –, weist darauf hin, wenn jemand durch solche Troll-Techniken eine Diskussion stört und unterbindet dieses Vorgehen, zur Not, indem ich die entsprechenden Kommentare löscht und die Trolle blockiert. Macht den Teil des Internets, den ihr kontrollieren könnt, zu einem sicher(er)en Ort für Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind. Und tragt auf diese Weise dazu bei, dass – wenigstens in diesem Rahmen – gesellschaftliche Machtverhältnisse hinterfragt und demontiert werden können.  

2 thoughts on “Wie du Troll-Techniken in Online-Diskussionen erkennst

  1. Kann man versehentlich trollen? Und ist diese Frage bereits Trollen? 🙂

    Also ich würde mich selbst als linksliberal bezeichnen (und werde in den allermeisten Diskussionen auch so wahrgenommen und teils dafür angegriffen) und habe daher in Diskussionen die Behauptungen von angeblichen Sprechverboten als Quatsch abgetan. Nach dem Lesen eines solchen Artikels komme ich aber ins Zweifeln.

    Im Grunde kann mit den Aussagen oben in fast jeder (kontrovers) geführten Diskussion eine/r als Troll definiert werden – und das sogar, ohne dass der/diejenige absichtlich trollt. Besonders interessant finde ich da den Hinweis auf das Concern Trolling…“hohes Körpergewicht“ ist demnach ein „pathologisierender Ausdruck“. Die m.E. legitime Meinung, dass „hohes Körpergewicht“ (was ich ja nicht schreiben darf!)… durchaus auch Nachteile hat, ist nun keine legitime Ansicht mehr, sondern Trolling.

    Kombiniert mit dem Tipp, solche Kommentare zu löschen und die vermeitlichen Trolle zu sprerren, ist damit m.E. der Willkür Tür und Tor geöffnet. Ich überlege gerade ernsthaft, welche Diskussionen dann überhaupt noch geführt werden können. Aber okay, andererseits werde ich in eher rechtslastigen Foren mitunter übel beleidigt und bedroht und würde mir da durchaus ein konsequenteres Eingreifen der Moderation wünschen. Ich plädiere also nicht dafür, überhaupt nicht in Diskussionen einzugreifen, finde die obige Darstellung aber durchaus problematisch. Unabhängig davon aber danke für solche Artikel, die mir ganz neue Ansichten vermitteln (BTW: Was ist Fettfeindlichkeit? Auch eine Google-Recherche hat mich nicht weiter gebracht.).

  2. Danke für den Artikel und insbesondere für den Hinweis auf Wondermark – was für ein toller Webcomic!
    Bzgl. Tone Policing bin ich zwar der Meinung, dass es einfacher für die zuhörende (und nicht absichtlich trollende) Person ist, wenn Informationen sachlich übermittelt werden, weil ich die Wut der anderen Person dann auf mich beziehe, selbst wenn es mich nicht betrifft. Das fühlt sich dann nicht gut an und ich musste erst lernen, mit dieser Empfindung umzugehen und offen für die Informationen zu sein. Ich weiß aber genauso aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, die Wut, die oft mit dem Thema, weil selbst davon betroffen, zuzulassen. Vielleicht ist es an der Stelle dann wichtig, zu kommunizieren, woher diese Wut kommt, wobei mir klar ist, dass dann wieder Erklärungen von Menschen erwartet werden, die sich ohnehin schon ständig erklären müssen.
    Insofern finde ich es cool, dass ihr über Wut auch schon mehrere Artikel geschrieben habt.

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