Liebesgeschichten, Familiensagas, Komödien – sie werden oft als „Frauenliteratur“ bezeichnet. Franziska von Franzi liest findet dies abwertend. Sie möchte mit ihren Literaturempfehlungen auf ihrem Blog und in der Zeitschrift Joy auf Bücher mit positiven Bildern von Frauen und Beziehungen aufmerksam machen. Ich muss zugeben, dass ich überhaupt nicht romantisch veranlagt bin. Und „Frauenromane“ lese ich auch nicht. Ich habe mich daher besonders auf ein Gespräch mit Franzi gefreut. Wir quatschen über gute und schlechte Liebesgeschichten.
Ich lese prinzipiell keine Liebesromane. In meinen Vorstellungen geht es dabei immer um ein verhuschtes Mädchen, dessen einziges Ziel es ist, einen Mann zu finden und mit ihm glücklich zu sein. Eigene Ziele, eigene Träume und Wünsche? Nope. Franzi hat sich jedoch genau auf diese Art von Literatur spezialisiert. Sie schreibt auf ihrem Buchblog Franzi liest Rezensionen zu Liebesgeschichten, Familiensagas und Komödien. Ihr Einstieg war „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen, womit ihre Leidenschaft für Liebesromane begann. Ich muss zugeben, dass auch der Klassiker „Jane Eyre“ zu den Büchern zählt, die ich gern weiterempfehle. In diesen Romanen geht es um Frauen, die sich gegen gesellschaftliche Konventionen stellen und den Mut aufbringen, für sich selbst einzustehen.
„Ich möchte auf meiner Website über Bücher sprechen, die ein positives Bild von Frauen vermitteln. Und das kann auch in Frauenromanen oder Liebesgeschichten der Fall sein“, sagt Franzi. Natürlich gebe es in der Masse unheimlich viele schlechte Beispiele, wo das Beziehungsmodell auf einer Aschenputtelgeschichte beruht: Ein Mädchen trifft auf einen „Über“-Mann und ist allein schon mit seiner Liebe glücklich. „Sowas empfehle ich nicht, davon rate ich aktiv ab“, stellt Franzi klar. Stattdessen will sie darauf aufmerksam machen, dass es Romane in dem Genre gibt, die ein Ideal vermitteln und solche, die sich um realistische Beziehungen drehen, die positiv und auf Augenhöhe stattfinden. Damit will sie Frauen zeigen, wie Beziehungen funktionieren können, wenn sie gut sind: „Ich glaube ganz fest daran, dass gute Beziehungen etwas sind, was jede*r erreichen kann. Dass man sich nicht zufrieden geben sollte mit der Rolle als hilfloses, anhängendes Weibchen.“ Eine Beziehung basiere eben auf Respekt.
Aktuell empfiehlt Franzi die Bücher von Michel Birbaeck. Hier geht es um Beziehungen, die auf Respekt beruhen, selbst während einer Trennung. Die werden in seinen Geschichten nicht als etwas Schreckliches dargestellt, das gesellschaftlich unerwünscht wäre, sondern als etwas, was zum Leben dazu gehöre und den Protagonist*innen Raum zum Wachsen und Entwickeln gebe. Auch die Zauber-Reihe von Christina Jones empfiehlt sie. Hier spielen nicht unbedingt die Protagonist*innen die Hauptrolle, sondern vielmehr die Orte, die ein bisschen magisch sind – auf ihre eigene Art und Weise.
Der Retter in der Not
Doch wenn man so viel liest wie Franzi, erwischt man doch bestimmt auch mal schlechte Liebesgeschichten, oder? Immerhin kann man den Inhalt eines Buches nicht zwingend nach dem Einband beurteilen und auch wirklich miese Romane können schöne Cover haben.„Ich sehe solche Romane vor allen Dingen auf den Bestseller-Listen. Und das kotzt mich tierisch an“, so Franzi.
Es schaffen unheimlich viele Bücher auf die Bestseller-Listen, die wirklich unterirdisch seien. Hier führt sie die Bücher von E.L. James an („50 Shades“), deren „unterirdisches Vokabular und beschränkter Wortschatz“ Aggressionen in ihr auslösen: „Der Mann muss die Frau retten und er definiert, was gut für sie ist. Ich finde, man muss darüber sprechen, was alles daran schlecht ist. […] Das ist nicht das reale Leben. Das ist eine ganz schlecht gemachte Cinderella-Story, in der Cinderella ziemlich üble Karten hat.“
Doch gerade diese üble Cinderella-Story scheint die Fantasie der Autor*innen zu beflügeln. Nach meinem Empfinden wird der Markt seit einiger Zeit regelrecht damit überschwemmt. Es ist immer die gleiche Story: armes Mädchen trifft Millionär-Bad-Boy, Rockstar-Bad-Boy, Biker-Bad-Boy und was weiß ich nicht noch … Hauptsache es ist ein Bad Boy. Die Frau bleibt dabei jedoch eine Cinderella und hat gar keine Möglichkeiten, sich weiter zu entwickeln. Das ist nicht nur vollkommen an der Realität vorbei, sondern vermittelt auch ein Bild von richtig schlechten und teilweise gefährlichen Beziehungsmustern. Ein junges Mädchen, das nichts anderes kennt als solche Geschichten, landet in einer solchen Beziehung, ist todunglücklich, denkt aber, das wäre normal und so würden gute Liebesgeschichten funktionieren. Es ist sehr gefährlich, wenn jungen Frauen so ein Beziehungsbild vermittelt wird, findet Franzi: „Es wird propagiert: Ich muss mich anstrengen, und zwar dauerhaft, damit ich es wert bin, dass er sich für mich ändert.“
Dumme Frauen
„Das schlimmste aber“, so Franziska, „ist es, wenn Frauen über Frauen schreiben und meinen, die wären alle dümmlich und bräuchten eine Anleitung.“ Hierbei geht es nicht um das Aschenputtel-Schema (du musst gerettet werden), sondern es wird aufgezeigt, dass die Frau allein nicht lebensfähig ist. „Du brauchst Rat und Unterstützung. Und die muss männlich sein. Und die muss dir die Welt erklären, weil allein kriegst du es ja nicht gebacken.“
Hier fällt auch auf, dass verschiedene Autor*innen merkwürdige Entwicklungen durchmachen. Nora Roberts zum Beispiel, die schon seit den 1980er Jahren Liebesgeschichten schreibt, hat über die Jahrzehnte verschiedene Rollenbilder von Frauen publiziert. Während sie in den 2000er Jahren durchaus von starken und selbstbewussten Frauen schrieb, beschrieb sie zuvor eine Umgebung, in der männliche Dominanz und Übergriffigkeit im Zusammenspiel mit einer dümmlichen Protagonistin das erstrebenswerte Ziel darstellten:„Wenn die Frau sich aufregte, wenn der Mann sie ungefragt anfasste, war sie in Nora Roberts Sprachduktus ,zickig‘“.
Franzi war schockiert und brach das Buch ab. Es sei schon schlimm genug, wenn man in den 80er Jahren sowas lesen musste, sagt sie. Noch schlimmer sei es aber, dass sie genau dieses Rollenbild in ihren neuen Romanen wieder aufgreife. Die Frauen würden in diesen Büchern von den Männern, zum Teil mit brachialer Gewalt, dazu überredet, dass sie gut für sie seien. „Das ist subtil böse, weil die Frauen zu Anfang noch starke Frauen sind, aber sobald der Mann als Herr und Meister auftaucht, wandelt sich die Geschichte komplett.“
… und starke Frauen
Das Klischee der „starken Frau“ zieht sich mittlerweile durch die Literatur. Es werden Frauen als „stark“ bezeichnet, sobald sie die Protagonistin stellen, handeln aber nicht so, als würden sie wissen, was sie da tun. Dazu braucht es dann einen Mann, der wegweisend agiert und der immer dümmer werdenden Protagonistin zeigt, wo es lang geht.
Dabei kann man starke Menschen auf sehr vielfältige Weise beschreiben. In dem Buch „Ich treffe dich zwischen den Zeilen“ von Stephanie Butland geht es um psychische Störungen und wie diese überwunden werden können. Es wird beschrieben, wie sich die Protagonistin langsam ihrem Freund gegenüber öffnet. „Sie hat den Mut, ihre Ängste zu thematisieren und mit ihm darüber zu sprechen. Die beiden finden zusammen, aber nicht, weil er sie rettet, sondern weil er ihr Zeit gibt. Er wartet, weil sie es ihm wert ist“, so Franzi. Es geht also nicht um Rettung, sondern um Unterstützung und Verständnis. Mut bedeutet in dem Fall, sich seinen Ängsten zu stellen. Und das macht eben starke Menschen aus.
Ebenso verhält es sich mit dem Buch „Die Musik der Wale“ von Wally Lamb. In der Geschichte wird ein junges Mädchen durch ihr Leben begleitet. Die Leser*innen durchleben mit ihr einen Missbrauch, Ablehnung und ihren Kampf durch harte Zeiten bis sie am Ende einen Mann findet, der durch Unterstützung und Geduld durch ihre harte Schale dringen kann. Auch das Buch „Eleanor Oliphant is completely fine“ von Gail Honeyman behandelt das Thema psychische Belastungen. In dem Buch geht es um Eleanor, die ein Ereignis in ihrer Kindheit nicht verarbeiten kann. „Es vermittelt einem, wie lange so ein Trauma nachwirken kann und was passieren muss, damit sich ein schwer traumatisierter Mensch öffnet und sowas wie Lebensfreude entwickelt. Ich finde, Lebensfreude ist eine ganz tiefe Urform von Liebe“, sagt Franzi.
Selektive Wahrnehmung
Zum Schluss will ich von Franzi wissen, wie sie die Diversität auf dem deutschen Buchmarkt einschätzt. Immerhin habe ich bisher fast ausschließlich Bücher gelesen, in der es um Liebesbeziehungen zwischen weißen Frauen und Männern geht.
„Da sind wir beim Thema Selbstselektion. Wenn du in deutsche Buchhandlungen gehst, dann gibt es eben meistens die Empfehlungen, in denen es um das Thema Mann liebt Frau, beide sind weiß, blond, hellbraun, schwarzhaarig, ohne einen geringen Einschlag in irgendeine andere Ethnie.“ Im Prinzip müsse man sich lediglich einmal umschauen. Wir beide haben jedoch das Gefühl, dass in Deutschland eher Deutsch gelesen wird, das was aus den USA herüberschwappt und ab und an ein bisschen Englisch.
In der Liebesgeschichte „Hüterin der Gewürze“ von Chitra Banerjee Divakaruni geht es in einem indischen Gewürzladen in Kalifornien magisch zu. In der Geschichte wird beschrieben, wie das Leben der indischen Gemeinschaft in den USA mit all ihren Schwierigkeiten und Freuden aussieht. Es geht um Respekt, Männlichkeit und die Liebe. Vor allem wird hier aber die weibliche Magie als etwas Gutes dargestellt, etwas Heilendes und Unterstützendes. In vielen magischen Romanen geht von weiblichen Protagonisten eher eine gefährliche oder dunkle Kraft aus. Denken wir doch viel zu häufig an eine böse Hexe, wenn wir an magische Frauen denken.
Franzi empfiehlt auch den Roman „Crazy Rich Asians“ von Kevin Kwan, die Trilogie wurde bereits verfilmt. Es geht um die Liebe innerhalb der hohen chinesischen Wirtschaftskreise. Wenn man sich alles für Geld kaufen kann, welchen Wert hat die Liebe dann überhaupt?
Franzi sagt: „Die schönsten Liebesgeschichten, sind die, die mit einem Menschen passieren, der sich selbst liebt. Liebe dich selbst, dann passiert Liebe von ganz allein.“
Franziska ist 36 und wohnt in München. Sie studierte u.a. Neuere deutsche Literatur und tritt für starke positive Frauenbilder ein. Im Netz findet ihr sie auf ihrer Website , auf Facebook und auf Instagram . Sie schreibt für verschiedene Magazine und tritt in Radio und TV u.a. als Expertin für Liebesromane auf, kann aber auch ganz anders.
Empfohlene Liebesgeschichten von Franzi
- Stolz und Vorurteil – Jane Austen
- Die Hüterin der Gewürze – Chitra Banerjee Divakaruni
- Crazy Rich Asians – Trilogie von Kevin Kwan
- Americanah – Chimamanda Ngozi Adichie
- Eleanor Oliphant is completely Fine – Gail Honeyman
- Die Musik der Wale – Wally Lamb
- Ich treffe dich zwischen den Zeilen – Stephanie Butland
- Beziehungsweise – Michel Birbaek
Empfohlene Liebesgeschichten von Anja
- Salz auf unserer Haut – Benoite Groult
- Fünf Viertelstunden bis zum Meer – Ernest van der Kwast
- Sturmhöhe – Emily Bronte
- Sternwanderer – Neil Gaiman

Anja ist Jahrgang 1982 und wuchs im schönen Thüringen auf. Sie arbeitete in internationalen Unternehmen und studierte später Wirtschaftspsychologie. Ihr Geld verdient sie als freie Autorin im Bereich Wissenschaft und veröffentlicht unter eigenem Namen Romane in der Phantastik, hauptsächlich Urban Fantasy und Steampunk. Ihr Debüt „A Fairy Tale“ war 2018 auf der Shortlist für den Deutschen Phantastik Preis.
Es war mir eine Freude, mit Anja über die Liebe zu sprechen.
oh, michael birbaek! danke! die bücher habe ich nur so verschlungen. kurzweilig und doch so gut.
ansonsten würde ich zur gesamtunterhaltung ja noch gerne ergänzen, dass es einen echt an den rande der kraftreserven treiben kann, wenn man immer so selbstständig und emanzipiert und blabla sein soll und dann auch noch ständig die einsamkeit in schach halten soll, die einem so ein ein liebloses leben (im sinne von singledasein) vor die füße erbricht. ich habe das für mich noch nicht so ganz ausklamüstert, aber meistens machen mich sogar so emanzipierte liebesgeschichten sauer. wenn ich das fertig gedacht habe (oder denke es getan zu haben) werde ich mich mal dazu ergießen.
liebst,
jule*