Sie wissen alles besser, geben ungebeten Tipps und nerven mit Erklärungen, die niemand braucht: Mansplaining nervt einfach, und Weglächeln oder Ignorieren hilft nicht wirklich. Deswegen gibt es hier eine Hilfestellung, was ihr wirklich dagegen tun könnt.
Vielleicht liegt es an meiner Haarfarbe – ich bin blondiert? Vielleicht daran, dass ich alleinerziehend bin – Alleinerziehende sollen ja von Natur aus hilfsbedürftig und überfordert sein? Vielleicht habe ich ja eine Frage zu viel gestellt? Ich habe ehrlich keine Ahnung, was den Mann dazu veranlasst hat, mir erklären zu müssen, wie seiner Meinung nach der Hase hoppelt. Mir jedenfalls geht es tierisch auf die Eierstöcke. Weil mir das ständig passiert.
“Das ist doch viel zu kompliziert für dich!”
Aktuell ist da zum Beispiel der ältere Mann, der mir zu helfen versucht, mich in meinem neuen Heimatland zurechtzufinden. Ich bin vor kurzem nach Irland gezogen; natürlich habe ich mich gründlich vorbereitet, habe viel über Schulsystem und Sozialversicherung gelesen, was man eben so macht. Aber hey, Irland ist europäisch, ein Kulturschock ist das nun auch wieder nicht.
Nicht jedoch für den Mann, der hier seit 30 Jahren lebt und irgendwie nicht aus den 80ern entwachsen zu sein scheint. Er will mir erklären, dass ich immer Bargeld dabei haben muss, weil „man das hier so macht“. Dass ich bei Aldi mit Google Pay an der Kasse zahlen kann, sogar Kleinstbeträge, hat er noch nicht geschnallt. Er will mir auch meinen neuen Wohnort zeigen, damit ich mich zurechtfinde. Ich wohne hier in einer Gegend mit rund 2.000 Einwohnern insgesamt. Das Dorf hat eine einzige Einkaufsstraße, die vielleicht 500 Meter lang ist, dazu noch ein paar Supermärkte und eben das Nötigste, was man so braucht. Doch er will mir ganz konkret zeigen, wo auf dieser einen Straße die Apotheke ist, weil ich ja das neongrüne, blinkende Kreuz nicht sehen könnte. Er will mir erklären, wie ich Holz in den Kamin lege. Er legt mir haarklein dar, wie ich in das nächste Dorf komme. Er legt mir nahe, dass er mich unbedingt zur Anmeldung der Kinder an der Schule begleiten muss, weil das hier alles so wahnsinnig kompliziert ist.
Bei dem Termin, der fünf Minuten dauert und bei dem der Direktor mir zwei Formblätter aushändigt, die ich ausfüllen muss, spielt sich der Mann auf, als wäre er mein Sozialbetreuer. Er redet für mich, er antwortet für mich, er fragt für mich, er stellt meine Kinder vor. Dann will er mir auch noch erklären, wie ich die Anmeldung ausfüllen muss, weil ich das definitiv nicht selbst kann
Mir passiert das ständig.
Als ich meinen ersten Roman veröffentlichte, wollte mir ein Typ erklären, dass sich das Ding niemals verkaufen ließe, „weil da kein Sex drin vorkommt“ (Zitat). Auch, nachdem ich versuchte zu erklären, was eine Zielgruppe ist und mein Buch nicht in das Genre der Romance oder gar Erotik gehöre, bestand der Typ auf seiner Meinung. Er müsse es ja wissen, denn er würde ja erotische Kurzgeschichten schreiben – und wenn ich wollte, könnte er mir auch helfen. Ich muss ihn erst anschreien, dass es MEIN Buch ist, ICH die Autorin bin und ICH deshalb auch entscheide, was in meinen Geschichten vorkommt und was nicht, damit der Typ endlich die Klappe hält. Am Ende war es ihm nicht mal peinlich. Er saß mir gegenüber, legte die Hände auf die Sessellehne und meinte glatt: „Tja, dann musst du wohl zusehen …“ Hat man Worte?
Mich macht das wütend, weil ich für zu dumm gehalten werde, eigene Entscheidungen zu treffen. Als Frau wächst du auf mit dem Leitsatz, du musst mehr arbeiten als Männer, damit man dich für voll nimmt. Ich arbeite mein ganzes Leben schon, habe studiert, ziehe meine Kinder allein groß und sehe zu, dass ich unabhängig leben kann. Was bitte muss ich noch tun, um zu beweisen, dass ich auch ohne die Hilfe eines Mannes leben kann? Meine Eigenständigkeit wird mir vollkommen aberkannt, ignoriert und abgewertet. Von Männern, die es selbst nicht besser können. „Mansplaining“ ist nun ein bekanntes Phänomen. Wir wissen mittlerweile gut darüber Bescheid und können die Augen rollen, wenn wieder so einer ankommt.
Das Ding ist nur: Was hilft gegen Mansplaining und was nicht?
Klar ist, was nicht gegen Mansplaining funktioniert: Es hilft kein Unterbrechen, es hilft kein Ignorieren, es hilft kein höfliches Lächeln, es hilft auch nicht der Hinweis, dass man es besser weiß oder einfach nur die Erklärung nicht will. Und mal ehrlich, was hilft es denn, wenn wir einfach nur nett lächeln und nicken? Die Situation wird dadurch nicht besser und der Typ fühlt sich auch noch bestätigt und wird das immer wieder machen. Viele raten: „Halt die Klappe, halt durch und melde dich nie wieder bei dem Mann“. Das bringt weder dir etwas, noch dem Mann. Und geht euch das nicht gewaltig auf die Nerven, Interesse zu heucheln, während ihr in Gedanken dem Mann schon längst die Cola ins Gesicht geschüttet habt?
Häufig zeigen ältere Männer gegenüber jüngeren Frauen dieses Verhalten. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sie antiquierten Rollenbildern anhängen, in denen die Frau von vornherein am unteren Ende der Nahrungskette steht. Häufig bezeichnen sie sich selbst sogar als emanzipiert und wollen „nur helfen“, wenn sie einem die Welt erklären. Sie selbst bewerten ihr Verhalten nicht mal als diskriminierend. Wenn sie dann natürlich sofort mit dem Vorwurf konfrontiert werden, sich doof zu verhalten, dann verstehen sie es nicht. Dann reagieren sie eher beleidigt und werfen der Frau „Kommunikationsprobleme“ oder „Überempfindlichkeit“ vor. Na, auf so ein Gespräch hab ich jetzt auch keine Lust.
Konfrontation oder nicht? – mit Strategie zum Angriff
Ich gehöre zu den Menschen, die die Konfrontation scheuen. Ich mag mich nicht streiten, ich lasse ausreden und diskutiere gern auf Augenhöhe. Das funktioniert hier nur nicht. Ich habe mittlerweile eine Strategie entwickelt, wie ich „unbeschadet“ aus der Nummer rauskomme und trotzdem eindeutige Zeichen setze. Mein Mittel gegen Mansplaining: Ich stelle Fragen.
Die beste Reaktion sind W-Fragen. Das sind offene Fragen, die den Gegenüber dazu zwingen, zu antworten. Er kann also nicht nur mit Ja oder Nein antworten, sondern muss erklären. Manchmal reicht es schon, einmal „Warum?“ oder „Wieso?“ zu fragen, um den Kerl ins Schlingern zu bringen. Dann stellt er fest, dass seine Erklärung auf wenig festes Material baut. Ich habe es meist nicht mit wirklichen Experten zu tun, sondern eher mit selbsternannten. Da erwirken die Fragen „Woher hast du diese Information?“ oder „Was macht dich da so sicher?“ schon längere Redepausen. Denn häufig können sie es nicht erklären. Sie haben da mal irgendwas in irgendeinem Käseblatt zu gelesen oder haben das selbst „immer schon so gehandhabt“ und haben gedacht, sie könnten da mal Eindruck schinden. Manchmal frage ich auch danach, ob er mir konkret sagen kann, in welchem Buch oder welcher Zeitung er das gelesen hat – vielleicht will ich ja selbst nachlesen (sicher nicht)?
Da ich als Freelancerin allein arbeite, kommen mir solche Situation nicht wirklich im Berufsleben vor. Aber die Fragetechnik kann man sehr gut in den beruflichen Kontext übertragen. Eine Frage wie „Wie lange beschäftigst du dich schon mit dem Thema“ oder nach konkreter Literatur können das Gegenüber ganz schön ins Schlingern bringen. Wir dürfen ja beim Mansplainen davon ausgehen, dass du mehr weißt (Expertin bist) als der Besserwisser vor dir. Deswegen: Stell konkrete Fragen, die das Thema betreffen. Frage nach Situationen, wo er seine Strategie schon mal angewendet hat und vor allem, was dabei rausgekommen ist. Frage danach, was er denkt, was passiert, wenn ihr das so macht, wie er das will. Damit nötigst du ihn auch noch, sich damit auseinanderzusetzen, welche Konsequenzen sein Verhalten gehabt hat oder vielleicht auch haben wird. Dann kannst du auch nach Details fragen: „Hast du auch daran gedacht, dies oder das zu berücksichtigen?“ oder auch „Und wie willst du vorgehen, wenn dies oder das passiert?“
Der richtige Tonfall ist wichtig
Ich finde es immer schwierig mit solchen Situationen umzugehen. Ich komme mir dabei immer so überrumpelt vor, dass ich vor lauter Überraschung erstmal gar nichts sagen kann. Mit der Fragetechnik habe ich für mich aber einen Weg gefunden, aus so einer Situation elegant und sachlich rauszukommen. Es ist gerade im beruflichen Kontext schwierig mit so was umzugehen, weil man mit den Menschen zusammenarbeiten muss oder ggf. sogar der Job davon abhängt. Daher ist es wichtig, da den richtigen Ton zu treffen.

Anja ist Jahrgang 1982 und wuchs im schönen Thüringen auf. Sie arbeitete in internationalen Unternehmen und studierte später Wirtschaftspsychologie. Ihr Geld verdient sie als freie Autorin im Bereich Wissenschaft und veröffentlicht unter eigenem Namen Romane in der Phantastik, hauptsächlich Urban Fantasy und Steampunk. Ihr Debüt „A Fairy Tale“ war 2018 auf der Shortlist für den Deutschen Phantastik Preis.