Familienplanung: Wann bekommt ihr endlich Kinder?

Familienplanung: Wann bekommt ihr endlich Kinder?

Spätestens ab 30 werden kinderlose Frauen[1] unweigerlich in Erklärungszwang zu ihrer Familienplanung gebracht. Warum es in den meisten Situation komplett unangebracht ist, überhaupt nach dem Kinderwunsch zu fragen.

„Wie läuft die Arbeit? – Hat es bei euch gestern auch so geregnet? – Wann bekommt ihr eigentlich endlich Kinder?“ Für manche Menschen scheinen diese Fragen alle gleichermaßen angemessener Smalltalk zu sein. Familienplanung ist aber nicht unbedingt ein Thema für ein lockeres Gespräch in der Kaffeepause, sondern eine extrem persönliche Entscheidung. Trotzdem wird von Frauen ab einem gewissen Alter (und besonders, wenn sie in einer monogamen hetero Beziehung leben) regelmäßig erwartet, dass sie dazu Stellung beziehen. Ob das Gegenüber plant, in nächster Zeit unverhüteten Sex zu haben, geht aber niemanden etwas an.

Allen, die auch schon mal eine Bekannte, die vielleicht gerade geheiratet hat, oder eine fremde Person auf einer Party danach gefragt haben, kann ich versichern: Höchstwahrscheinlich habt ihr sowieso keine ehrliche Antwort bekommen.

Denn die Gründe für die Kinderlosigkeit sind oft nicht selbstgewählt: Es gibt Menschen, die keine Kinder bekommen können; Menschen, die vielleicht schon mehrere Fehlgeburten hatten; Menschen, die ein Baby wollen, aber noch nicht den*die richtige*n Partner*in gefunden haben; Menschen, die Kinder wollen, aber deren Partner*in keine Kinder will; Menschen, die schon seit Jahren erfolglos versuchen zu adoptieren. Vielleicht ist der*die Gesprächspartner*in homosexuell, trans oder sonst irgendwie queer und müsste sich outen, um die Frage zu beantworten.

Mal ganz davon abgesehen, dass ihr mit einer ehrlichen Antwort wahrscheinlich sowieso überfordert gewesen wärt: Die meisten Menschen behalten diese privaten Gründe lieber für sich, beziehungsweise wollen nicht zwangsgeoutet werden.

Manche Menschen wollen einfach keine Kinder

Aber es gibt noch einen anderen Grund: Manche Menschen wollen einfach keine Kinder. Sie hatten vielleicht noch nie einen Kinderwunsch oder fühlen sich nicht bereit, Kinder zu bekommen. Sie wollen nicht schwanger sein und nicht gebären. Sie wollen nicht ihr ganzes Leben umstellen und lauter Sachen lernen, die für die Kindererziehung wichtig sind. Sie wollen keine Verantwortung für ein Kind übernehmen. Sie wollen keine Kinder in die Welt setzen, wenn sie sich nicht sicher sind, dass sie das auch wirklich wollen und es möglicherweise hinterher bereuen würden.

In solchen Fällen sollte spätestens mit der Antwort „Ich will keine Kinder“ das Thema erledigt sein. Leider fangen oft erst an diesem Punkt die richtig nervigen Gespräche an. Denn manche Leute wollen die Entscheidung gegen Kinder einfach nicht akzeptieren und meinen, jetzt noch ungefragt ihre Ansichten dazu mitteilen zu müssen:

„Aber du wärst eine richtig tolle Mutter!“

„Das siehst du jetzt vielleicht so, aber wenn es dann zu spät ist, wirst du es noch bereuen.“

„Willst du denn nicht, dass sich im Alter jemand um dich kümmert?“

„Das ist aber eine ganz schön egoistische Einstellung.“

„Kinder sind das Beste, was dir passieren kann, das weißt du aber erst, wenn du selbst welche hast.“

Warum können manche Leute es nicht einfach gut sein lassen, sondern müssen dann versuchen, die andere Person zu bekehren? Vielleicht sehen sie es als Kritik am eigenen Lebensentwurf, der Kinder vorsieht und schon immer vorgesehen hat. Denn so muss es sein und sie können sich nicht vorstellen, dass irgendjemand ohne Nachwuchs glücklich sein kann. Freiwillige Kinderlosigkeit ist aber keine Kritik an Menschen mit Kindern oder Kinderwunsch, es ist ausschließlich die persönliche Entscheidung. Was für den einen richtig ist, muss für die andere nicht richtig sein und umgekehrt. Außerdem haben kinderlose Frauen ab einem gewissen Alter ziemlich sicher alle Argumente fürs Kinderkriegen schon mal gehört. Aber geht es dabei nur um Frauen?

Playboys und Crazy Cat Ladies

Hauptsächlich. Denn bei aller Kritik schwingt immer eine Doppelmoral mit: Meist wird nämlich von Frauen erwartet, einen Kinderwunsch zu haben. Sie sind diejenigen, bei denen „es jetzt aber langsam mal Zeit wird“ und die bemitleidet werden, wenn sie nicht das Ideal der glücklichen Mutter leben. Denn es liegt doch in ihrer Natur, fürsorglich zu sein! Für Männer ist es okay, die Karriere zu priorisieren oder in ihren Hobbys aufzugehen. Sie können theoretisch bis ins hohe Alter noch Nachwuchs zeugen, aber es wird nicht von ihnen erwartet. Wenn die Kinderlosigkeit bei älteren Männern überhaupt thematisiert wird, werden sie als „ewige Junggesellen“ oder „Playboys“ bezeichnet. Ältere Frauen in der gleichen Situation hingegen sind „alte Jungfern“ oder „crazy cat ladies“ („verrückte Katzenfrauen“), die ihren nicht erfüllten Kinderwunsch mit zu vielen Katzen kompensieren.

Es gibt aber andere Lebenswege, als den der Mutter: Frauen können ein erfülltes Leben ohne Kinder führen – Karrierechancen wahrnehmen, alle paar Jahre in eine neue Stadt ziehen, reisen (zu günstigeren Preisen außerhalb der Schulferien), am Wochenende ausschlafen und die ganze Nacht durchfeiern. Sie können Zeit mit anderen oder allein verbringen, in Ruhe essen und, wenn sie Lust darauf haben, den ganzen Samstag zockend vor der Playstation verbringen.

Unterschiedliche Lebensentwürfe

Und dafür müssen sie sich nicht rechtfertigen. Vielleicht wollen manche Menschen sich einfach nicht dem Zwang der Gesellschaft verschreiben, zu heiraten und möglichst schnell Kinder zu bekommen. Manche sind allein glücklicher oder zu zweit oder in einer polyamoren oder offenen Beziehung. Durch die Annahme, dass jede*r einen Kinderwunsch habe, werden Heteronormativität und das konventionelle Beziehungsmodell der Kernfamilie wiederholt stabilisiert, was gleichzeitig alle anderen Lebensentwürfe als nicht der Norm entsprechend abwertet. Dabei wird Elternschaft teilweise idealisiert und verklärt. Aktuell versucht das Hashtag #ehrlicheeltern (auch: #ehrlicheltern) auf Twitter dem entgegenzuwirken. Dort erzählen Leute ganz offen auch von den negativen Seiten des Elternseins, die sonst in der Öffentlichkeit oft tabuisiert bleiben.

Bei gleichgeschlechtlichen Paaren ist die Frage nach der Familienplanung noch aufgeladener und potenziell verletzend: Entweder werden heteronormativ kulturell verankerte Erwartungen auf das Paar projiziert, wenn davon ausgegangen wird, dass sie Kinder wollen, oder ihr Lebensentwurf wird als von der Norm abweichend markiert, wenn ihnen kein Kinderwunsch unterstellt wird.

Wer das nächste Mal den Drang verspürt, jemanden zu fragen, ob si*er nicht endlich mal in die Gänge kommen will, sollte sich überlegen, ob die Situation angemessen ist. Hat der*die Gesprächspartner*in signalisiert, dass si*er mit der Frage einverstanden wäre? Und bei Bekannten und Fremden kann mensch es gleich ganz bleiben lassen. Denn niemand wird auf solche ungefragten Überzeugungsversuche antworten: „Ach stimmt, egoistisch will ich nicht sein. Irgendjemand muss ja die Renten bezahlen. Ich gehe jetzt direkt nach Hause und zeuge ein Kind!“

 

 

[1] Natürlich können generell viele Menschen mit Uterus Kinder bekommen. In unserer binärgeschlechtlich strukturierten Gesellschaft trifft diese Frage jedoch vor allem Frauen und Femmes.

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