Tumblr Ban: Wie Sexarbeit und Online-Zensur zusammenhängen

Tumblr Ban: Wie Sexarbeit und Online-Zensur zusammenhängen

Nackte Körper – bald nur noch auf Pornhub

Heute tritt der sogenannte „Tumblr Ban“ in Kraft. Damit verbietet das soziale Netzwerk sogenannte „pornografische Inhalte“. Diese Entscheidung schließt einen Raum für erotische Kunst abseits westlicher Schönheitsnormen – und bringt Sexarbeiter*innen in Gefahr. Ein Artikel von Caspar Schuhmacher.

Seit etwa einem Monat schreiben viele Social-Media-Kanäle über den „Tumblr Ban“. Tumblr ist eine Blogging-Plattform, auf der Nutzer*innen unter anderem Bilder, Texte und Videos auf einem eigenem Blog veröffentlichen können. Die über 441 Millionen Blogs  werden überwiegend von Jugendlichen und jungen Erwachsenen betrieben (Quelle: statista.com). Im November flog die App der beliebten Seite aus dem „App Store“. In einem Statement vom 19. November gab Tumblr bekannt, dass man Kinderpornografie auf der Seite gefunden habe.  Anfang Dezember gab Tumblr dann bekannt, dass sie alle pornografischen Inhalte von ihrer Seite löschen würden und „adult content“ nicht mehr erlaubt sei. Darunter fällt auch das Zeigen „weiblich gelesener Nippel“.

Bis jetzt waren Tumblr und Twitter die einzigen großen Social-Media-Plattformen, auf denen nackte Körper und Pornografie nicht verboten waren. Viele Künstler*innen laden auf ihren Tumblr-Blogs ihre erotische Kunst hoch und User*innen teilen Bilder und Videos von nackten Körpern, jenseits des westlichen Schönheitsideals.

Jessica Powell schreibt in der New York Times darüber, wie wichtig diese Seite für viele Frauen und LSBTTIQ+-Personen ist: „On Tumblr, one could find pages dedicated to celebrating bodies of all types, could browse sophisticated fetish images curated from a female perspective, and could find GIFs and videos that — unlike most mainstream pornography sites — depict female pleasure. (Auf Tumblr konnte man Seiten finden, die sich mit dem zelebrieren von Körpern aller Art beschäftigen, aus weiblicher Sicht kuratierten Fetischbilder durchsuchen und GIFs und Videos finden, die – im Gegensatz zu den meisten gängigen Pornografieseiten – das weibliche Vergnügen darstellen)“.

Der Tumblr Ban setzt Sexarbeiter*innen unter Druck

Aber auch eine andere Gruppe verliert hier einen wichtigen Ort: Sexarbeitende. Viele nutzen diese Seite zum eigenen Empowerment (dt.: „Ermächtigung“), Vernetzung zwischen Kolleg*innen und zur Kund*innen-Akquise.

Vor einigen Monaten passierte schon etwas Ähnliches.  Die Kleinanzeigen-Website Craigslist entfernte ihre „Erotik-Seiten“, auf denen unter anderem viele Sexarbeitende Anzeigen geschaltet hatten und Freier suchten. In den USA wird Sexarbeit stark kriminalisiert. Die Zensur ist auf ein neues Gesetz zurückzuführen. Anfang des Jahres unterschrieb Präsident Donald Trump FOSTA (Fight Online Sex Trafficking Act, „Gesetz zur Bekämpfung von Online-Zwangsprostitution“) und SESTA (Stop Enabling Sex Traffickers Act, „Gesetz zur Bekämpfung von Menschenhändler*innen“).

Bislang galt online, dass Webseiten nicht für den Inhalt der Posts verantwortlich sind, die von Dritten gepostet wurden. Das ist wichtig, denn so ist es möglich, dass das Internet durch alle User*innen mitgestaltet werden kann. In den neuen FOSTA-SESTA-Gesetzen gibt es nun Einschränkungen: Webseiten werden zur Verantwortung gezogen, wenn User*innen auf ihren Seiten Anzeigen für Prostitution hochladen. Dabei ist es egal, ob es sich hierbei um Zwangsprostitution oder selbstbestimmte Sexarbeit handelt. Viele Websites, beispielsweise Craigslist, nahmen sofort viele Foren von ihrer Seite. Von einem Tag auf den anderen verloren tausende Sexarbeitende ihre Arbeitsseite.

Sexarbeit ist online sicherer als auf der Straße

Für viele Sexarbeitende ist online zu arbeiten sicherer als zum Beispiel auf der Straße. Online können sie in Ruhe für sich werben und auch Kund*innen leicht und in einer sicheren Umgebung ablehnen. Seit vielen Jahren wird Straßenprostitution in Deutschland immer stärker kriminalisiert. Da Prostitution in Deutschland legal ist, bedeutet dies hier, dass Sexarbeit als etwas Kriminelles dargestellt wird und Sexarbeiter*innen, die am Straßenstrich arbeiten, häufig Repression und Gewalt durch die Polizei erfahren. Viele Städte haben sogenannte „Sperrzonen“ in der Innenstadt verordnet oder verlegen den Straßenstrich an den Stadtrand. Der Arbeitsplatz ist für Sexarbeiter*innen so immer gefährlicher geworden. Wenn am Rand der Stadt etwas passiert, dauert es viel länger, bis dies auffällt und Hilfe kommt.

Online zu werben ist so für viele die letzte Möglichkeit noch selbstständig und sicher in der Sexarbeit tätig zu sein. Ein kostenloses Profil, ein paar Handybilder und ein kurzer Text reichen. Doch Craigslist, Reddit und jetzt auch noch Tumblr haben diesen Raum geschlossen.

Instagram hat in den letzten Wochen viele Profile von bekannten Sexarbeiter*innen und Pornodarsteller*innen gelöscht.  Facebook verbietet nun auch noch Wörter die anscheinend zur „sexuellen Kontaktaufnahme“ dienen. Verboten ist es jetzt laut Punkt 15 der Gemeinschaftsstandards unter anderem über sexuelle Vorlieben, Selbstbefriedigung oder Geschlechtsteile zu sprechen. Das soziale Netzwerk warnt sogar explizit vor Aussagen wie „möchte heute Nacht noch Spaß haben“.

Es geht beim Tumblr Ban also nicht nur um Pornos und erotische Kunst, sondern auch um die weitere Kriminalisierung von Sexarbeit. Am 17. Dezember 2018 wird die Zensur auf Tumblr in Kraft treten. Der 17. Dezember ist – ironischerweise – der Internationale Tag gegen Gewalt an Sexarbeiter*innen.

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