Internalisierte Misogynie in feministischen Kreisen

Internalisierte Misogynie in feministischen Kreisen

In diesem Text geht es um das Verhalten und Auftreten von Frauen (cis sowie trans), die sich innerhalb des binären Geschlechtersystems verorten. Die Autorin erkennt an, dass natürlich auch nichtbinäre Menschen von der diskutierten Problematik betroffen sind, sie schreibt allerdings aus der Perspektive einer cis-Frau und möchte daher keine Annahmen über die Gefühlswelt nichtbinärer Personen treffen.

Manche von uns haben das große Glück, sich in tollen, offenen, intersektionalen feministischen Kreisen bewegen zu können, in denen sie aufgenommen, respektiert und gehört werden. Ich habe gleich mehrere solcher Kreise, weil ich als Kind offenbar in einen Topf voller feministischem Glück gefallen bin. Trotzdem fällt mir auch in meinen feministischen Blasen immer wieder auf, dass die meisten von uns, mich eingeschlossen, immer noch ganz schön viel internalisierte Misogynie mit sich herum tragen. Diese internalisierte Misogynie bezieht sich oft auf Äußerlichkeiten, auf die Art, wie andere Menschen in diesen Kreisen sich und ihren Körper präsentieren. Fast scheint es mir so, als hätten wir Räume geschaffen, in denen wir die sexistischen und objektifizierenden Schönheitsnormen unserer Gesellschaft in unseren Kreisen einfach auf den Kopf gestellt haben.

Klingt erstmal gut, oder? Weg mit Rasierern und Make-Up, auf Nimmerwiedersehen High Heels. Doch so einfach ist es nicht. Denn plötzlich geht es nicht mehr darum, wer als besonders heiß, dünn und normschön gilt, sondern darum, wer nach außen hin die beste Feministin abgibt. Um es mal ganz klar zu sagen: Das Äußere einer Person sagt nichts über ihren Feminismus aus.

Man braucht nicht die Augen zu verdrehen, wenn man mitbekommt, dass eine andere Feministin sich dazu entscheidet, Körperhaare zu entfernen und man muss auch wirklich nicht immer sofort unterbrechen und betonen, dass man selbst ja schon seit 75 Jahren nicht mehr raisere, weil man ja schon viel besser darin sei, die Schönheitsnormen unserer Gesellschaft zu überwinden.

Es ist auch überflüssig, die Freude einer Person über gelungenes Make-Up im eigenen Gesicht damit zu dämpfen, dass man deutlich macht, dass man sich ja selbst schon genug liebe, um sich nicht hinter Schminke verstecken zu müssen.

Ach ja und man bekommt auch keine Feminismuspunkte dafür, dass man auf Frauen, die Sport machen und in irgendeiner Form auf ihre Ernährung achten oder diese aus unterschiedlichen Gründen einschränken, herabschaut.

Dazu kommt dann noch als „mädchenhaft“ geltendes Verhalten. Es ist in Ordnung, dass Feministinnen in unseren Kreisen lieber Cocktails als Flaschenbier trinken und dass sie sich nicht dreckig machen wollen. Wirklich, man wird nicht feministischer, wenn man sich besonders viel von Pippi Langstrumpf abguckt. In einer monogamen Beziehung zu einem cis-Mann zu sein, macht diese Frauen übrigens auch nicht weniger feministisch und es ist auch verdammt okay, dass manche in unseren Kreisen lieber Ballett machen als Kampfsport.

Häufig werden diese sehr feminin auftretenden Frauen in radikalen, linken feministischen Kreisen an den Rand gedrängt. Kommen sie neu in unsere Räume, interagieren wir weniger mit ihnen als mit den coolen Grrls mit den bunten Haaren und den Piercings, denn was können diese Girlies schon zu sagen haben? Wir gehen davon aus, dass sie weniger krass, cool und radikal sind als wir selbst und daher binden wir sie weniger ein und vergessen sie bei unserem Empowerment. Und damit reproduzieren wir genau die toxischen Stereotype, aus denen wir eigentlich doch ausbrechen wollen.

Lasst uns aufhören, uns ständig miteinander zu vergleichen. Wenn feministische Frauen sich in als normschön geltenden Formen, Kleidungsstücken und Präsentationen wohlfühlen, ist das in Ordnung. Das macht diese Frauen nicht weniger feministisch. Oder oberflächlich. Warum respektieren wir uns und unsere jeweiligen ästhetischen Präferenzen und Verhaltensweisen nicht einfach gegenseitig? Denn was genau erreichen wir denn damit, immer wieder laut zu betonen, dass man dieses oder jenes ja gar nicht nötig habe? Wir geben anderen Frauen ein schlechtes Gefühl. Und wie, verdammt noch mal, können wir es wagen, uns Feministinnen zu nennen, wenn wir uns immer noch gut dabei fühlen, andere Frauen kleinzumachen?!

Aber Moment mal, sagen jetzt bestimmt viele, vielleicht hängen sehr feminin auftretende und handelnde Frauen einfach noch sehr an den Normen, die die Gesellschaft für sie festgelegt hat? Vielleicht wollen sie tief im Inneren gar nicht so sein? Ist es überhaupt feministisch, sich weiter von der patriarchalen Gesellschaft das eigene Aussehen diktieren zu lassen? Können diese Frauen überhaupt so feministisch sein wie ich?

Die Antwort ist ja und wenn wir uns Empowerment wirklich auf die Fahnen schreiben wollen, sehen wir nicht auf Frauen herab, die sich gesellschaftlichen Normen anpassen, um Spott, Druck und vielleicht auch Gewalt zu entgehen. Manche Frauen müssen normkonform aussehen, weil ihnen in der kapitalistischen Gesellschaft beispielsweise nichts anderes übrig bleibt, als den Job anzunehmen, der ein gewisses Aussehen voraussetzt. Andere haben vielleicht Angst, beleidigt und verspottet zu werden und wieder andere probieren sich noch aus. Diese Frauen zu belächeln und auszuschließen ist das absolute Gegenteil von feministisch, vor allem, wenn man sich selbst dabei dann auch noch besser fühlt. Glückwunsch, wir haben unser Ego auf dem Rücken einer anderen Frau gestärkt.

Wir wissen nicht, was hinter dem steht, wie eine andere Frau sich präsentiert und was sie gerne mag. Vielleicht ist es gesellschaftlicher Druck, vielleicht fühlt sie sich aber auch einfach toll, stark und wunderbar in ihrem femininen Auftreten. Egal was es ist, wir haben nicht das Recht, Frauen, die äußerlich nicht feministisch wirken, zu verurteilen.

Wir stehen nicht miteinander im Wettbewerb.

Wir können nebeneinander coexistieren.

Jeder Mensch darf über den eigenen Körper herrschen.

Die Revolution kann in High Heels begonnen werden.

Und in Turnschuhen.

Und barfuß.

Aber vor allem immer zusammen.

Wir haben schon einmal über internalisierte Mysogynie geschrieben: „Internalized Misogynie: Unsere innere Frauenhasserin“

One thought on “Internalisierte Misogynie in feministischen Kreisen

  1. Ich schätze die overall Botschaft, die dieser Artikel vermitteln will. Und doch habe ich den Eindruck es gelingt ihm nicht, aus der eigentlichen Problematik herauszukommen. Irgendwas stößt mich da.

    Vielleicht kann man hier ansetzen:

    „interagieren wir weniger mit ihnen als mit den coolen Grrls mit den bunten Haaren und den Piercings, denn was können diese Girlies schon zu sagen haben?“

    Who is that „we“?

    Ich persönlich reagiere auf zugepiercte Gesichter instinktiv ungefähr genauso wie auf zugeschminkte, auf bunte Haare wie auf hochglanzmagazinblondierte. Da präsentiert sich mir erstmal ein Mensch im Gewand einer kulturellen Äußerlichkeit und das ist mir grundsätzlich eher unangenehm. Das empfinde ich als menschliche Mauer, denn es stellt ja den Anspruch an das Gegenüber (mich in dem Fall), mit dieser Draufgabe umzugehen, womöglich den Menschen dahinter damit zu identifizieren, also mit einer nach außen zur Schau gestellten Persona. Für den würde ich mich aber eigentlich interessieren; was will ich mit einer Äußerlichkeit quatschen, egal wie sie mir daherkommt? Vor allem habe ich ihr meinerseits nichts entgegenzusetzen.

    Ich habe mich lange schon entschieden, mir die gesellschaftlichen Schutzmäntel abzupellen, sowieso sind sie ein Fake-Schutz, und halten auch nicht warm, und ich fühle mich je wohler desto nackter, durchlässiger mich selbst zu zeigen und andere in mir aufzunehmen. Treffe ich aber auf jemanden, der sein Äußeres bewusst in einer Gesellschaftlichkeit verortet, wird mir meine selbstgewählte Nacktheit doch wieder als Schutzlosigkeit zurückgespiegelt, und ich kann nichts dagegen tun, da setzt eben der Sozialinstinkt ein und sagt mir, wenn mein Gegenüber sich einer Gruppe zuordnet, bin ich erstmal draußen, weil Gruppe wie Raum funktioniert, und zwar ohne eigene Gruppe, die mich von hinten stützt. Ist ja nicht so, dass es leicht ist, sich selbst rauszuschälen, eine Arbeit, für die ich sehr viel Disziplin aufbringen muss, damit ich nicht doch wieder von mir selber weggehe, um irgendwo von irgendwem akzeptiert zu werden.

    Mit Misogynie hat das für mich wenig zu tun. Geht mir bei Männern ganz genauso. Warum sich also darauf konzentrieren, alle sozialen Gruppen zu inkludieren, statt über sie hinwegzudenken? Was nämlich einer Inklusion aller zu Gute käme, ohne Fokus auf die Peer-Group.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert