Lieber Freund,
du hast dich in eine meiner besten Freundinnen verliebt. Verständlich, sie ist eine großartige Frau. Du hast deinen Mut zusammengekratzt und ihr von deinen Gefühlen erzählt. Dafür hast du meinen Respekt. Sich verletzbar machen, jemandem ein kleines Stück Herz anvertrauen, das ist nie einfach. Und ich hätte mich für dich, für euch beide, sehr gefreut, hätte es gefunkt. Aber das hat es eben nur einseitig. Du hast deine Antwort bekommen. Vermutlich nicht die, die du hören wolltest, aber dennoch eine Antwort. Ein klares und deutliches Nein.
Statt dich darüber zu freuen, dass ihr weiterhin eine tolle Freundschaft haben könnt, hast du nun einen Brief geschrieben. Keinen Brief an mich, dennoch möchte ich dir gerne antworten.
Du schreibst ihr in deinem Brief, dass du ja schon den Eindruck hattest, dass da was ist, zwischen euch. Und ob es vielleicht Faktoren gibt, die sie davon abhalten zu ihren Gefühlen zu stehen. Ihre Freundschaft mit deiner Exfreundin zum Beispiel oder eure Wohngemeinschaft oder der nahende Abschluss und die damit ungewisse Zukunft. Du fragst, ob sie jemanden kennengelernt hat, denn ein anderer Mann in ihrem Leben würde die Sache ja schon gewaltig verändern. Du bittest sie, deine Hoffnungen endgültig zu zerschlagen, sollten deine Umwerbungen nicht erfolgsversprechend sein.
Oder zusammengefasst: Du lässt auf zwei Seiten dein Herz über etwas aus, auf das du schon lange eine Antwort bekommen hast.
Ein Nein braucht keinen Grund
Mich ärgert, dass du der Meinung bist, dir sei jemand eine Erklärung schuldig. Es ist doch völlig egal, aus welchen Gründen sie Nein sagte. Ob es die Wohnung oder die Ex oder fehlende Gefühle sind: Was geht dich das an? Hätte sie es dir erklären wollen, hätte sie das schon getan. Du musst jetzt nicht regelmäßig nach ihren Gründen fragen und danach, ob sich an diesen etwas verändert hat. Nein ist ein vollständiger Satz. Nein. Ganz einfach. Und ein Nein sollte reichen und nicht gerechtfertigt werden müssen.
Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du deinen Brief in keiner bösen Absicht geschrieben hast. Aber fehlende böse Absichten würde ich vielen Menschen unterstellen, die Grenzen überschreiten. Und jemanden in die Position zu bringen, eine persönliche Entscheidung vor dir rechtfertigen zu müssen, ist grenzüberschreitend.
Ein Nein steht nicht in der Abhängigkeit von anderen Männern
Wie oft, wann und mit wem eine Person ins Bett geht, ist keine Information, die dir zusteht. Auch nicht, wenn es deine Angebetete ist. Warum sollte es die Sache verändern, wenn sie jemanden kennen gelernt hat? Es verändert rein gar nichts. Sie hat vorher nein gesagt, sie sagt auch jetzt nein. Es gibt keinen inhaltlichen Unterschied.
Du denkst da in einem Muster, das ich von dir nicht erwartet hatte. Dass du ihr Nein mehr oder weniger ernst nimmst, in Abhängigkeit von der Anwesenheit eines Mannes, schockiert mich. Eine Frau ist schließlich nicht permanent auf der Suche nach einem Mann in ihrem Leben. Eine Frau gehört einem Mann nicht, egal in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Jede Frau kann in jeder Situation und wann immer sie möchte nein sagen.
Ein Nein ist keine Einladung zur romantischen Umwerbung
Jaja, ich weiß, ungefähr jeder romantische Hollywood-Film, den wir in unserer Jugend gesehen haben, macht uns etwas anderes weis. Frau sagt nein – Kerl legt sich ins Zeug und kauft Blumen und Schokolade und bekommt den guten Ratschlag sich für die Dinge zu interessieren, die ihr wichtig sind – Frau ändert ihre Meinung, dramatisches Ende, groß inszenierter romantischer Kuss. Schöne Idee, schon verstanden. Aber du erwartest doch auch nicht, dass ein Mensch in rotem Cape und in Strumpfhosen vorbeigeflogen kommt und die Welt rettet, oder? Es sind nur Filme. Die Realität sieht nun mal ein bisschen anders aus.
Ich will damit nicht ausdrücken, dass das nicht passieren könnte. (Beides, wer wünscht sich nicht die Ankunft von Superheld*innen?) Aber nur, weil du die Hoffnung darauf hast, heißt das nicht, dass du ihr Nein deswegen ignorieren darfst. Ihr den Hof zu machen ist zwar irgendwie süß, aber leider voll daneben. Sie möchte keine Blumen und Liebesbriefe von dir. Das hättest du schon in dem Moment begreifen sollen, als sie das erste Mal nein sagte. Schade, dass du es noch immer nicht getan hast.
Du bist ein lieber Mensch. Ich halte sehr viel von dir, ich freue mich, dich meinen Freund nennen zu dürfen. Ich wünsche dir so sehr, dass du eine Person findest und ihr gemeinsam das Leben und die Familie starten könnt, die du dir wünscht. Aber ich wünsche mir auch, dass du es akzeptierst: Mit der Frau, die du gerade toll findest, wirst du keine Familie gründen.
Immer wieder nein zu sagen ist anstrengend. Es nervt und gibt einem das Gefühl, nicht besonders ernst genommen zu werden. Eure Freundschaft wird darunter leiden, wenn du ihr Nein immer wieder hinterfragst. Also bitte ich dich: Nimm es einfach an.
Denn ein Nein ist ein Nein bleibt ein Nein bleibt ein Nein.