Hey Kraftklub, Hure ist eine miese Beleidigung

Hey Kraftklub, Hure ist eine miese Beleidigung

Frauen, die Sex mit vielen Menschen haben zu degradieren, ist nicht cool oder frech. Es ist schlichtweg sexistisch.

 

Ach, Kraftklub. Ich mochte euch wirklich gerne.  Ihr habt mir aus der Seele gesprochen, als ihr gesagt habt, dass ihr nicht nach Berlin wollt. Ihr seid politisch cool und ich habe mir fast jedes eurer Interviews angesehen, weil ihr einfach auch verdammt unterhaltsam seid. Okay, auch manchmal ein bisschen mackerhaft, aber das habe ich immer abgetan. Weiße Jungs, nicht perfekt reflektiert, aber das ist auch okay. Euer erstes Album wird jeden Sommer in meinem Auto rauf und runter gespielt und Parties werden erst dann richtig gut, wenn eure Songs laufen.

Bis jetzt. Denn jetzt habt ihr mich wirklich enttäuscht. Im Sommer kommt euer neues Album und wie damals mit ‚Ich will nicht nach Berlin‘ wolltet ihr vermutlich ein bisschen publicitywirksam auf die Pauke hauen. Also habt ihr über das Ende einer Beziehung geschrieben. Soweit, so gut. Junge trauert Mädchen hinterher, das ihn verlassen hat. Nicht neu, nicht einfallsreich, auch für euch nicht das erste Mal. Das „Lyrische Ich“ wird für den besten Freund verlassen, ja, traurig, und ja, das macht auch wütend. Eure Konsequenz: Ihr nennt die Exfreundin im Refrain eine verdammte Hure. Und damit seid ihr leider bei mir unten durch.

Wut ist keine Entschuldigung für Sexismus

Ja, ich weiß, dass man manchmal wütend ist. Ja, ich weiß, dass ihr in einem Interview versprochen habt, dass die Geschichte des Songs rein fiktiv ist. Ja, ich weiß, dass ihr betont habt, dass ihr reale Frauen nie Hure nennen würdet. Ihr habt aber auch gesagt, dass euer Lyrisches Ich eben nicht ihr selbst seid und dass ein Lyrisches Ich das halt dürfe. Und genau da liegt ihr falsch.

Frauen, die Sex mit vielen Menschen haben zu degradieren, ist nicht cool oder frech. Es ist schlichtweg sexistisch. Slutshaming ist ein ernstes Problem, das Frauen trifft, wenn sie sich Männern zufolge falsch verhalten. Es wird dazu genutzt, diese Frauen zu beleidigen, zu erniedrigen, ihnen Gewalt anzutun und sie ihrer Rechte zu berauben. Im Falle eures Songs ist dieses „falsche“ Verhalten, dass die Exfreundin eures ach so fiktiven und damit harmlosen Lyrischen Ichs nicht mehr mit ihm zusammen ist, sondern jetzt mit anderen Männern schläft, unter anderem mit seinem besten Freund. Dieser beste Freund findet aber natürlich nur eine Erwähnung, um zu betonen, was für ein furchtbarer Mensch die Exfreundin sei. Dass der beste Freund gegenüber dem Lyrischen Ich ebenfalls einen Vertrauensbruch begangen hat, der vielleicht zu Enttäuschung und auch Wut führen könnte, ist natürlich völlig absurd, denn wie heißt es so schön? Bros Before Hoes?

Und damit zeigt ihr in eurem eigenen Song, was die dauernde Abwertung von Frauen als „Schlampen“ oder eben auch „Huren“ in der Gesellschaft auslöst: Frauen tragen die gesamte moralische Verantwortung. Egal ob sie Kinder bekommen, oder eben nicht, ob sie nicht mit euch schlafen wollen, oder sofort mit vielen Männern. Am Ende sind wir Frauen immer Schlampen. Ihr Männer kommt in diesen Narrativen immer fein weg. Der beste Freund erfährt keine Degradierung, er wird nicht aufs Massivste beleidigt und ihm widmet das Lyrische Ich auch keinen abfälligen Song. Stattdessen schreit ihr sexistische Beleidigungen in die klischeehaften Geigen.

Willkommen im Mainstream-Sexismus

Auch dass ihr „Hure“ für die passendste Beleidigung haltet, sagt viel über euch aus. Es sagt aus, dass es euch scheißegal ist, dass dieses Schimpfwort jedes Mal auch Sexarbeiterinnen abwertet. Eine Frau, die nicht mehr mit euch schläft, sondern mit anderen ist eine Hure und eine Hure ist natürlich schlecht, ekelig und moralisch böse. Willkommen in konservativer Spießigkeit und moralischer Verklemmtheit. Willkommen in einer Welt, in der Sexpositivity nur dann gilt, wenn ihr zum Zuge kommt.

Vermutlich glaubt ihr, dass ihr gezeigt habt, dass es okay ist, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Eigentlich habt ihr einem Haufen Menschen aber nur gezeigt, dass es völlig in Ordnung ist, Frauen zu degradieren. Diese Bestätigung ist komplett überflüssig, denn wenn ihr mehr als zwei Sekunden nachgedacht hättet, wüsstet ihr, dass ein Großteil der Gesellschaft sowieso schon nur zu gerne bereit sind, Frauen abzuwerten und zu beleidigen. Ihr habt nur unterstrichen, dass Sexismus und generelle Arschigkeit eben auch in Form von coolen, hippen, linksorientierten Bands kommen kann. Ganz toll. Große Klasse.

13 thoughts on “Hey Kraftklub, Hure ist eine miese Beleidigung

  1. oh, sowas in die richtung habe ich einer band auch schonmal geschrieben. spasten, spackos, schwul, homo, behindert. alles schon von vermeintlich korrekten bands gehört. in interviews darauf angesprochen, war das „nur spaßig“ gemeint und eigentlich finden wir die alle voll niedlich und nett und überhaupt. ich streiche solche bands mittlerweile von meiner liste.
    aber sich drüber aufregen und das in wort fassen finde ich, wie hier, sehr gut. anders wird es immer normal bleiben, solche begrifflichkeiten zu verwenden.
    liebe grüße,
    jule*

    1. Wie sagen Danger Dan und Koljah so schön?

      “ Diskriminierung ist behindert, ‘Spast’ zu sagen ist schwul, ich halte mich für ein Problem/Denn ich hab es doch verstanden, doch ich denke es sei cool sowas zu sagen, obwohl ich mich dafür schäm”

      “Du hast Kay One gegen Bushido und Shindy verteidigt, ich halte dich für einen Spasten/Und dein Vokabular ist so behindertenfeindlich, ich halte dich für einen Spasten”

      Zum Glück immerhin haben wir ja noch die Antilopen Gang!

  2. Vielleicht wäre es bei der Autorin mal angebracht das eigene Kunst und Humor Verständnis zu reflektieren. Da besteht großer Nachholbedarf. Ebenso wären als toleranter reflektierter Mensch stereo typisieren de Aussagen a la „typisch weiße Jungs“ ebenfalls zu vermeiden. Man kann nicht Dinge für schlecht befinden wenn man sich selbst daran bedient. Das ist Heuchlerei.

    1. @Hurensohn: Interessanter Username.
      Dass dir vor dem Hintergrund zu obigem Artikel als Erstes einfällt, die Autorin anzugreifen, erscheint da fast schon konsequent.
      Dass dir kein Unterschied zwischen der Verwendung von „typisch weiße Jungs“ im oben stehenden Kontext und „Hure“ in einem sehr viel grundlegenderen Zusammenhang auffällt, auch.
      Chapeau.

    2. Ich bin mit 20 Jahren als „Hure“ bezeichnet worden vom eigenen Vater, der mir das ins Gesicht schrie. Als ich 40 Jahre alt war, bezeichnete meine Mutter ein Foto von mir mit Worten: Du siehst auf dem Bild aus wie eine Hure. Nun denn, wenn man bei einem Song diese Bezeichnungen mit Humor und einem Verständnis für „Kunst“ begegnen muss, so sollte ich mal beginnen, mein Erlebtes als elterliche Fürsorglichkeit zu betrachten? Ach ja, ist doch alles so herrlich subjektiv…..ich wünsche Euch allen einen humorvollen Tag.

    3. Tja, „Hurensohn“ (hahaha, wie lustig ist das denn????), genau für Männer wie dich gibt es solche Artikel. Nur leider will und will der Groschen einfach nicht fallen, schade!

      Die doofen Frauen wollen „Hure“ als Beleidigung einfach nicht lustig finden.
      Deine Antwort sagt am meisten über dich selbst aus, bzw. über deine totaal geile Art von Humor – sag mal, bist du am Ende gar ein „typisch weißer Junge“??? Hahaha, ziemlich genau wie du stelle ich mir die nämlich auch vor 🙁

  3. Dieser Artikel ist der Grund dafür, dass viele Leute genervt von political correctness sind, sorry. Mir ist es scheißegal, ob Leute für Sex bezahlt werden oder nicht, mir egal, ich verachte die deswegen nicht. Aber jetzt ständig für gesellschaftlich kontroverse Themen neue Begriffe zu finden ist scheinheilig. Ständig nur beschissene Euphemismen, weil man ja die eigene Toleranz zur Schau stellen muss, anstatt dass man die Dinge einfach benennt, wie sie sind und WIRKLICH kein Problem damit haben könnte. Aber nein, man muss die Dinge künstlich aufbauschen und zum Problem – Sexismus – erklären und alle darauf hinweisen, wie ach so anti-sexistisch man sei. Ich hasse Sexismus und bin kein Kraftklub-Fangirl, aber diese Art der Scheinheiligkeit nervt mich übertrieben. Ich achte auf meine Sprache und möchte damit niemanden diskriminieren, aber irgendwann wird es lächerlich.

    Nebenbei, bitte mal auf den Kontext des Liedes achten. Die Argumentation ist arg unlogisch.

    PS: Weiße Jungs soll also total reflektiert sein? Wieso bringt ihr es überhaupt mit rein, ist die Ehtnizität der „Jungs“ (Man beachte bitte den Aufschrei, wenn hier „Mädchen“ stehen würde! Siehe die Debatte vor einigen Wochen) so relevant für das Thema?

    PPS: http://www.duden.de/rechtschreibung/Hure : „Besonderer Hinweis

    Seit Ende der 1980er-Jahre bezeichnen sich Prostituierte vermehrt selbst mit dem bis dahin eher abwertend oder diskriminierend gebrauchten Begriff Hure.“

    Empowerment früher, jetzt Sexismus.

  4. Sexismus ist leider omnipresent wie eh und je. Naja, und der Begriff „Hure“ ist nun mal zu 100% sexistisch und herabwürdigend, und zwar mit voller Absicht. Was denn bitte sonst??
    Was ist daran scheinheilig, das auch so zu benennen?
    Jetzt müßen die armen, sensiblen weißen Jungs offenbar schon von eifrigen Girls wie oben beschützt weren. Au Backe.

    1. Bitte leg doch mal dar, warum es weniger schlimm ist, „weiße Jungs“ völlig ohne Grund zu schreiben und warum das nicht genauso degradierend und überheblich gemeint sein sollte (ich verstehe es so.), wie eine Frau mit dem Wort „Hure“ zu beleidigen?

      Bitte nenn mich nicht eifriges Girl. Was anderes als dich über mich zu stellen und mich mit abwertenden Begriffen zu betiteln fällt dir nicht ein? Inwiefern bist du jetzt besser? 😀

  5. Diese Diskussion ist extrem interessant und in meinen Augen ziemlich beispielhaft für den Umgang mit dem Thema Sexismus in Deutschland.

    Mir kommt es vor, als würde leider fast immer Emotionalität und Hitzigkeit deswegen entstehen, weil Menschen eben über ein sehr emotionales Thema sprechen.

    Die eine „Seite“ hat (leider) zu viele Erfahrungen mit Sexismus gemacht

    – übrigens halte ich selbst Hure auch dann noch für eine sexistische und beleidigende Bezeichnung, wenn Huren selbst sie zum Zeichen des Empowerements verwenden. Die Frage ist dabei doch: wer sagt es in welchem Zusammenhang.

    Und die andere Seite ist genervt, weil sie häufiger darauf hingewiesen wird, als es ihr lieb ist, dass sie eben sexistische Außerungen tätigt.

    Selbst wenn Kraftklub in dem Song den besten Freund als Arschloch bezeichnet hätten, wäre das immer noch nicht das gleiche. Da hat das „weiße Mädchen“ absolut recht. Weiß ist eine Farbe, eine optisches Fakt, das erstmal keine Wertung enthält. Der Begriff „Hure“ ist eine negative Wertung – und zwar die Wertung eines Verhaltens, einer Handlung.

    Dass das Künslerische Ich von Kraftklub die fiktive Exfreundin aus Wut und Enttäuschung beleidigen will, ist menschlich nachvollziehbar. ABER: „Du verdammtes Arschloch“ hätte es als Titel vielleicht auch getan!

    Das scheint mir von den „weißen Jungs“ hier doch ein Abwehrmechanismus zu sein, weil man einfach nicht darauf hingewiesen werden möchte, dass man sich selbst sexistisch ausdrückt und sexistische Tendenzen hat (zum Teil wohl auch, weil man ja leider so sozialisiert wurde).

    Das ändert aber doch im Schluss nichts daran, dass wir ALLE versuchen könnten, allgemeine Bezeichnungen für Gruppen oder Teilgruppen grundsätzlich zu unterlassen, wenn wir über Verhalten oder Emotionen sprechen. Beide sind nunmal individuell und von Mensch zu Mensch höchst unterschiedlich und können nicht generalisiert werden (selbst bei gleicher Sozialisation/ gleichem kulturellem Hintergrund/ sozialem Status/ gleicher Religion, etc.),

    ….oder hab ich da jetzt wieder was falsch verstanden?

  6. Verstehe ich das richtig? Die Autorin findet das erste Album unkritisch total super, darunter Songs wie „Liebe“, in denen andere Männer als „Spasti“ und „Spasten“ bezeichnet werden? Und dann einen (zugegeben lahmen) Song wie „Dein Lied“ völlig inakzeptabel, weil eine Frau „Hure“ genannt wird? Praktischerweise sind die Songs beide sehr vergleichbar. Die Frage ist, warum ist eine Minderheit schützenswert und die andere nicht? Ist die Beleidigung Behinderter ihrer Meinung nach in Ordnung? Oder hat sie vielleicht bei DEM Song verstanden, dass es eben in dem Kontext doch keine ernstzunehmende Beleidigung ist?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert