Über “Lesben-Sex”: Far Beyond YouPorn

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Triggerhinweis: Der Artikel enthält sexuell explizite grafische Sprache.

Nein, wir sind nicht zusammen, weil wir uns auf einer emotionalen Ebene so gut verstehen, weil wir als Frauen* gleich denken, weil wir mehr Wert auf Zärtlichkeiten und Kuscheln legen; und auch nicht, weil wir schlechte Erfahrungen mit männlich sozialisierten Menschen gemacht haben.

Auch ist die Beziehung kein Kompromiss gemäß: „Ich finde zwar Frauen* anziehend, auch wenn es irgendwie schade ist, auf einen Penis verzichten zu müssen…“. Frauen* sind keine Notlösung, etwa weil Männer kein Interesse zeigen würden oder Frau* keine willigen Männer kennt.

Lesben sind keine Heten auf der Reservebank.

Ist es so schwer einzusehen, dass Lesben und bisexuelle Frauen* mit Frauen* zusammen sein können, weil sie Brüste geil finden? Weil sie von Muschis angeturnt werden, weil sie Frauen*ärsche anmachen? Wenn dies so schwer nachzuvollziehen ist, frage ich, was all die hetero- und bisexuellen Männer an Frauen* attraktiv finden. Lesbische, bisexuelle Frauen*, hetero- und bisexuelle Männer* und alle Personen, die Interesse an Frauen* haben, teilen sich eine Sicht auf Frauen*. Das heterogene Spektrum der gegenseitigen Anziehung ist dabei individuell und nicht einzelnen Geschlechtern oder Gendern vorbehalten.

Lesben haben weder häufiger Blümchensex, noch öfter Oralverkehr als Hetero-Kombinationen. Frauen* ficken Frauen*. Frauen* können genau wie cis-Männer dominant sein, sie sind ohne diese nicht orientierungslos und unbefriedigt, sie ficken hart, führend, und ja, tatsächlich auch mit ihren Muschis.

Vaginen können Vaginen ficken.

Wir liegen nicht nur mit Sprühsahne bedeckt nebeneinander auf dem Bett und warten bis ein Mann* sich endlich unserer annimmt. Natürlich können auch Dildos ins Spiel kommen, ebenso wie in heterosexuellen Sexbeziehungen. Diese sind aber kein Penisersatz, sondern lediglich Instrumente zur Circlusion. Circlusion ist der Gegenbegriff zu Penetration und bedeutet umschließen. Es geht nicht darum Penisse nachzubilden, auch nicht darum, den eigenen Körper dem eines Mannes* ähnlicher zu machen.

Durch einen Umschnall-Dildo schlüpft eine Frau* nicht in eine „Männerrolle“ beim Sex. Sie ist und bleibt Frau*, sofern sie sich als solche identifiziert. Die Gesellschaft kann Frauen* nicht ihre Rolle absprechen, indem ihr Tun plötzlich maskulin konnotiert wird.

Ebenso gilt es nach mehr als 30 Jahren endlich die sogenannte Theorie des “Lesbian Bed Death“ zu begraben. Dieser zu Folge seien lesbische Sexbeziehungen im Vergleich mit anderen Sexkombinationen von weniger und zunehmend seltenerem Sex gekennzeichnet. Natürlich, weil Frauen* von sich aus nicht so triebgesteuert seien, wie Männer. Lesben sollten nicht länger zulassen, dass in der Öffentlichkeit versucht wird, sie in eine minderwertige Box zu pressen, sei es nun als Dreier-Kombination mit einem cis-Mann, oder indem ihnen Imitation,  Kopie  heteronormativer Geschlechtsakte nachgesagt wird. Frauen* haben gleichermaßen wie männlich sozialisierte Menschen Gedanken und Fantasien über Sex, sie vögeln sich selbst und andere.

Es ist an der Zeit, die maskulinistische Sex-Hierarchie abzuschaffen. Sex findet in so vielen unterschiedlichen Facetten (oder „Ficketten“) statt, die alle als gleichwertig und als dynamisch und offen angesehen werden sollten. Eine Lesbe ist keine Jungfrau mehr, nur weil sie nie Sex mit einer männlich sozialisierten Person hatte, eine Frau* erreicht nicht durch einen Mann* ihre* sexuelle Reife. Genauso wie niemand auf die Idee kommen würde, dass eine männlich sozialisierte Person noch Jungfrau – oder „Jungmann*“ –  sei, nur weil er bisher noch keinen Penis in seinem Arsch hatte.

Sex bedeutet nicht „Penis in Muschi“. Sex steht für alles, was Menschen unter körperlicher Intimität begreifen. Das Konzept ist weder an bestimmte Körperteile, noch an festgelegte Praktiken gebunden.

Warum auch immer die Gesellschaft sich überhaupt anmaßt, Mitsprache in diesem privaten Thema zu haben. Und überhaupt: Warum eigentlich noch festhalten an Kategorien wie hetero, homo, bi, pan, Trans*Person, Frau*, Mann*, wenn die Palette doch so vielseitig ist. Warum nicht einfach: Menschen, die Sex haben und/ oder sich lieben? Kategorien dienen als Orientierung, ohne welche das Leben in vielerlei Hinsicht erschwert wäre. Allerdings werden sie ab dem Zeitpunkt zweckentfremdet, da sie nicht mehr länger vereinfachender Spiegel sozialer Strukturen, sondern lediglich starre unpassende Konstrukte darstellen. Dies führt unweigerlich zu Unstimmigkeiten im Alltag. Doch statt diese kurzzeitige Verwirrung zuzulassen und sie konstruktiv zu neuen Kategorien zu verarbeiten, wählt der ein oder die andere stattdessen häufig das Mittel der selektiven Wahrnehmung und der Realitätsverzerrung.

Deshalb: Besser gegen die Wand ficken, als gegen die Wand rennen. Besser von hinten, als von gestern. Besser ungeniert, als unreflektiert. 

 

@DoktorMihi

Anmerkung der Autorin: Mir ist selbstverständlich bewusst, dass nicht bestimmte Körperteile das Gender eines Menschen definieren, sondern der Mensch die Freiheit besitzt, sich selbst mit einem bestimmten Gender zu identifizieren, oder auch mit keinem. Dies inkludiert eine Vielzahl von Körper-Gender-Kombinationen: zum Beispiel gibt es ein breites Spektrum an Menschen mit Vagina und/oder Brüsten und natürlich auch sich-als-Frau-identifizierende Menschen ohne diese Körpermerkmale. Diese Tatsachen finden im Text keine Erwähnung, da ich mich nur auf einen kleinen Ausschnitt der Realität beschränkt habe. Natürlich gilt aber: Viva la diversidad!

 

Hinweise zum Beitragsbild: Bild von PhotOZgraphy unter: https://www.flickr.com/photos/31900764@N02/6719470231 Das Bild steht unter der Creative Commons Lizenz CC BY-ND 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-nd/2.0/)